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Landeshauptstadt: Unbekanntes Europa

Schüler der Voltaire-Schule diskutierten gestern mit Politikern über die Europäische Union

Je mehr Erfahrung mit dem europäischen Ausland, desto höher die emotionale Bindung zu den Institutionen der Europäischen Union (EU): Diese einfache Wahrheit zeigte sich gestern bei einer Diskussion im Friedenssaal der Stiftung Großes Waisenhaus zu Potsdam in der Lindenstraße. Denn selbst der Aufenthalt in einem anderen Land führt nicht automatisch zu EU-Liebe, wie Sophie Binder ausführte, die ein Jahr als Austauschschülerin in England verbracht hat. „Die EU ist mir eher fern, weil ich oft nicht verstehe, was da passiert“, sagte Binder aus der 13. Klasse der Voltaire-Gesamtschule zu Beginn eines prominent besetzten Podiumsgesprächs, dass ihre Schule anlässlich des Beginns der deutschen EU-Ratspräsidentschaft während einer Projektwoche organisiert hatte. Bundesweit wurden zum gestrigen EU-Aktionstag solche Diskussionen geführt: Für eine zweite Potsdamer Schule beteiligen sich beispielsweise zur Zeit neun Helmholtz-Gymnasiasten an einer französisch-polnisch-deutschen Politiksimulation in Paris.

Im Friedenssaal brachte Sophie Binder mit ihrer Kritik die anwesenden Politiker zu deutlichen Wortmeldungen für das europäische Projekt. So verwies Christian Ehler (CDU), Brandenburger Mitglied des EU-Parlaments, auf das erst junge Alter der Union als Erklärung für beispielsweise Informationsdefizite: „Es ist eher noch ein Experiment – doch das Neue ist, dass in Europa das erste Mal seit Jahrhunderten verhandelt wird und kein ständiger Bürgerkrieg herrscht.“ Auch Gesine Schwan (SPD), die Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), betonte Vorteile wie standardisierte Maße für wichtige Produkte in allen EU- Staaten, verlangte dafür aber auch die Teilnahme von jungen Leuten am europäischen Werk: „Durch diese Chancen besteht die Pflicht, sich über Europa zu informieren, weil die Nationalstaaten selbst nicht mehr allein entscheiden können.“ Auf rein praktische Beispiele für das Wirken von Europa verwies Oberbürgermeister Jann Jacobs: „Es gibt kaum ein Bauprojekt in unserer Stadt, dass nicht auch mit Geldern aus der EU gefördert worden ist.“

Andere Themen der einstündigen Diskussion waren die Fremdenfeindlichkeit in vielen EU-Staaten sowie ein möglicher Beitritt der Türkei in die Gemeinschaft, für die ihr stellvertretender Generalkonsul Bleda Kacar warb. Doch machte sich die Direktorin der Voltaire-Schule, Ortrud Meyhöfer, keine Illusionen über den Kenntnisstand auch ihrer Schüler über die EU, trotz der „erfolgreichen“ Projekttage an ihrem Haus: „Er ist katastrophal.“

Die Schüler-Politiker-Diskussion über Europa wird noch einmal am Sonntag, den 28. Januar, ab 11.22 Uhr im RBB–Inforadio ausgestrahlt.

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