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Landeshauptstadt: und zum Dritten!

Zwangsversteigerungen in Potsdam nahmen im Vorjahr gegenüber 2003 um etwa 40 Prozent zu / Die Versteigerung am Beispiel

Zwangsversteigerungen in Potsdam nahmen im Vorjahr gegenüber 2003 um etwa 40 Prozent zu / Die Versteigerung am Beispiel Rechtspfleger Wilhelm Heinrich eröffnet das Prozedere. Viel Publikum hat er diesmal nicht. Nur fünf Leute betreten zur Zwangsversteigerung den Saal der Nebenstelle des Amtsgerichts in der Lindenstraße 6. Karsten K.* nimmt in der ersten Reihe Platz, seine frühere Ehefrau Corinna* in der letzten. Für die beiden geht es um alles oder nichts. Es ist ihr Traumhaus im Kirchsteigfeld, das heute „unter den Hammer“ kommen soll – und das jeder von ihnen ersteigern möchte. Die beiden hätten sich viel Ärger und Geld ersparen können, hätten sie versucht, das Haus nach der Scheidung selbst zu verkaufen. Der Rechtspfleger erläutert den Verkehrswert der Immobilie, der 166 250 Euro beträgt, erwähnt die bestehende Grundschuld von 153 000 Euro, die der Ersteigerer übernehmen muss. Er nennt das Mindestgebot, das im konkreten Fall 4500 Euro beträgt. Dann eröffnet er die reguläre Bietzeit von mindestens einer halben Stunde. Zeit genug für Interessenten, Fragen zu stellen, denn erfahrungsgemäß herrscht in den ersten Minuten dieser Frist lähmende Stille. Gegenüber 2003 hätten Zwangsversteigerungen im vergangenen Jahr in Potsdam um etwa 40 Prozent zugenommen, so Heinrich, auf dessen Tisch im Versteigerungssaal natürlich kein Hammer liegt. „Das Meistgebot wird nach Ablauf von 30 Minuten dreimal aufgerufen. Die Bietzeit wird allerdings erst geschlossen, wenn keine Gebote mehr abgegeben werden. Wird der Zuschlag erteilt, ist der Meistbietende Eigentümer – mit allen Rechten und Pflichten“, erläutert der Rechtspfleger, der sich den Bereich Zwangsversteigerungen beim Amtsgericht mit sieben Kollegen teilt. „Mit großen Investitionen sollte man allerdings warten, bis der Zuschlagsbeschluss nach vier Wochen rechtskräftig ist.“ Und er hat noch einen Tipp parat: Wer ein Grundstück oder Haus ersteigern möchte, sollte sich vorher einige Auktionen anschauen, um im Stillen schon einmal ein wenig zu trainieren. Sämtliche Termine werden etwa vier Wochen vorher in den Tageszeitungen veröffentlicht. Zuvor sind sie schon im Amtsblatt des Landes Brandenburg, im Internet sowie an der Gerichts- bzw. Gemeindetafel zu finden. Der von einem Gutachter ermittelte Verkehrswert einer Immobilie kann für den Interessenten eine Orientierungsmöglichkeit sein, wie tief er gegebenenfalls in die Tasche greifen muss, um den Zuschlag zu erhalten. „Am besten ist es, man schaut sich das Objekt selbst an, für das man sich interessiert“, rät Heinrich. Bei seiner aktuellen Versteigerung sind mittlerweile 19 Minuten der Bietzeit verstrichen. Das Pärchen, das sich zu Beginn eines der ausliegenden Gutachten auslieh, aufmerksam darin blätterte, leise diskutierte und im Stillen rechnete, ob es sich das Häuschen mit Dachterrasse und Gartenteich vielleicht leisten könne, legt das Dokument zurück, verlässt den Saal. Der bisherige Eigentümer Karsten K. weist sich beim Rechtspfleger mit seinem Pass aus, gibt dann das Mindestgebot von 4500 Euro ab. Corinna K. prescht mit 20 000 Euro vor, wird aufgefordert, sich ebenfalls ordnungsgemäß zu legitimieren. Ihr Ex-Gatte beantragt nun, die Frau möge die geforderte Sicherheitsleistung hinterlegen. Corinna hat die Summe in bar dabei. Rechtspfleger Heinrich zählt die Scheine. Karsten K. erhöht sein Gebot auf 20 500 Euro. Nun fordert Corinna von ihrem Geschiedenen die Sicherheit. Dann geht es Schlag auf Schlag. Schließlich erhält Karsten K. den Zuschlag für 35 000 Euro – allerdings muss er die bestehende Grundschuld von 153 000 Euro übernehmen. Corinna K. erhält die hinterlegte Sicherheitsleistung zurück. Jetzt ist es an dem zerstrittenen Paar, sich über die Verteilung des Erlöses ihres einst gemeinsamen Heims zu einigen. Falls dies nicht klappt, sind wiederum die Juristen gefragt. (*Namen geändert) Gabriele Hohenstein

Gabriele Hohenstein

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