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Nachlass von Edlef Köppen erstmals digital: Verbrannt und vergessen

Das Potsdam Museum hat den umfangreichen Nachlass des Potsdamer Literaten Edlef Köppen digitalisiert, dessen Roman „Heeresbericht“ von den Nazis verboten worden war. Der Autor könnte nun eine Wiederentdeckung erfahren.

Potsdam - Der Name Edlef Köppen sagt selbst vielen Literaturkennern nur noch wenig. Dabei sei der Potsdamer Schriftsteller sogar bedeutender als Erich Maria Remarque, Verfasser von „Im Westen nichts Neues“, sagt Kulturhistoriker Wilhelm Ziehr. Dies liegt unter anderem an Köppens bekanntestem Werk „Heeresbericht“, einem der wichtigsten Romane über den Ersten Weltkrieg, der von Literaturkritikern unter anderem mit dem avantgardistischen „Berlin Alexanderplatz“ von Alfred Döblin verglichen wird.

Lange Zeit war der von den Nationalsozialisten geschasste Autor fast in Vergessenheit geraten, doch nun könnte er eine Wiederentdeckung erfahren: Das Potsdam Museum hat zusammen mit der Stadt- und Kreisbibliothek „Edlef Köppen“ Genthin einen Großteil des Nachlasses von Köppen digitalisiert, sodass eine Fülle persönlicher Briefe, Manuskripte, Mappen und Hefte nun der Forschung zur Verfügung steht. 80 Datensätze, die aus mehr als 3500 Einzelblättern und Dokumenten bestehen, umfasst der Teilnachlass, der lange Zeit im Lager des Potsdam Museums schlummerte. Ein Teil davon war bereits 2014 im Rahmen der Ausstellung „Zu Hause im Krieg – Im Krieg zu Hause“ vorgestellt worden, sagte Jutta Götzmann, Direktorin des Potsdam Museums.

Viele unbekannte Gedichte Köppens entdeckt

Durch die Aufarbeitung des Nachlasses seien viele bislang unbekannte Gedichte und Erzählungen von Köppen zutage gefördert worden, sagt Ziehr: „Der Bestand an Gedichten hat sich dadurch mehr als verdoppelt.“ Dank der Digitalisierung sei Köppen nun einer der am besten dokumentierten Schriftsteller der Weimarer Republik: „Es belegt und ergänzt alles, was wir über Köppen wissen, von Beginn der Schulzeit an“, sagt Ziehr. „Dadurch ergibt sich ein weites Spektrum für die Forschung – das ist die Sensation, vor der wir stehen.“

Geboren wurde Köppen 1893 in Genthin in Sachsen-Anhalt, er verbrachte ab 1907 aber einen Großteil seines Lebens in Potsdam, wo er unter anderem als Lektor im Gustav-Kiepenheuer-Verlag arbeitete. Er ging in Potsdam auf das Viktoria-Gymnasium und studierte danach in Kiel und München Philologie, Philosophie, Literatur- und Kunstgeschichte, bevor er sich 1914 freiwillig zum Kriegsdienst in Frankreich und Russland meldete. Seine anfängliche Begeisterung schwand rasch, schon während der Kämpfe begann er an dem Roman zu arbeiten, der ihn bekannt machen sollte: „Heeresbericht“. Er wolle den Krieg als Tatsache und Instrument der Vernichtung schildern, schrieb Köppen seinen Eltern in einem Brief aus dem Schützengraben, der ebenfalls im Potsdamer Nachlass entdeckt wurde.

"Heeresbericht" wurde verboten und verbrannt

Der 1930 erschienene Roman, dessen Hauptfigur so wie Köppen selbst durch die traumatischen Kriegerlebnisse am Ende psychisch zusammenbricht, den Kriegsdienst verweigert und in eine Irrenanstalt eingeliefert wird, war den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge: 1935 wurde das Buch verboten und ein Opfer der Bücherverbrennungen.

Köppen selbst wurde als überzeugter Pazifist im selben Jahr mit einem Berufsverbot belegt und aus dem Rundfunk entlassen, wo er als Redakteur arbeitete. Zum Teil unter Pseudonym schlug er sich als Kritiker bei der Berliner Zeitung und als Chefdramaturg der Tobis-Europa- Film-AG durch, bevor er 1939 an den Spätfolgen einer Kriegsverletzung verstarb. Sein Grab liegt in Wilhemshorst, wo Köppen seit 1933 gelebt hatte, sein Haus am Friedensplatz ist noch erhalten.

Erst 2002 konnte der Nachlass wieder zusammengeführt werden

Köppens Nachlass wurde im Zuge der Gründung der DDR auseinandergerissen: „Als seine Witwe die DDR verließ, konnte sie nicht alle Kisten mitnehmen“, sagt Ziehr, der selbst seit 2005 in Wilhelmshorst lebt. Erst 2002 gelang es der Stadt- und Kreisbibliothek Genthin, einen Teil des westdeutschen Nachlasses von rund 400 Dokumenten zusammenzuführen. In Wilhemshorst hatte die Familie Grottke den verbliebenen Teilnachlass aufbewahrt, der Ende der 1960er-Jahre durch einen Mitarbeiter des Potsdam Museums in dessen Bestand gelangte. Mit der Digitalisierung auch dieses Teilnachlasses kann die Öffentlichkeit nun Einblick in Köppens Schriften nehmen. Gefördert wurde das Projekt vom Bibliotheksförderverein Jerichower Land e.V.

Doch obwohl die Dokumente in digitaler Form vorliegen, können Forscher, die im Nachlass recherchieren wollen, dies nicht in Potsdam tun, sondern müssen dafür nach Genthin reisen. „Hier in Potsdam haben wir keinen Leseraum dafür“, erklärt Jutta Götzmann, man wolle aber daran arbeiten, dass Interessierte in Zukunft auch in Potsdam Einblick in den Nachlass nehmen können. Allerdings könnten einzelne Dokumente auf Anfrage auch in digitaler Form als Mail verschickt werden, sagt Gabriele Herrmann, Leiterin der Stadt- und Kreisbibliothek Genthin.

Köppen bot Literaten eine Plattform im Rundfunk

Neben seinem literarischen Werk war Köppen vor allem als Rundfunk-Pionier bedeutsam für die deutsche Literatur der Weimarer Republik: Ab 1925 war er in dem neu entstandenen Medium tätig und bot in seiner Sendung „Die Funkstunde“ zahlreichen literarischen Zeitgenossen eine Plattform, unter anderem führte er Regie bei Hörspielen des Potsdamer Schriftstellers Hermann Kasack. Die Briefe aus dem Nachlass zeigen zudem seine gute Vernetzung in der Literatur-Szene, zum Beispiel mit Oskar Loerke oder Gottfried Benn. Nur durch die Dokumente aus Potsdam konnte überhaupt belegt werden, in welchem Umfang Köppen für den Film als Dramaturg tätig war, betont Ziehr. Dies zeigen zahlreiche Filmszenen, Drehbuchentwürfe, Textentwürfe, Besetzungspläne oder Filmskripte Köppens. „Die Bearbeitung dieses Materials steht noch aus“, so Ziehr.

Die Forschung geht weiter: Denn noch immer sind Teile des Nachlasses von Edlef Köppen über die ganze Bundesrepublik verstreut. „Der Edlef-Köppen-Freundeskreis sucht bundesweit nach weiteren Teilnachlässen und versucht, Verbindungen zu den Besitzern zu knüpfen“, sagt Gabriele Herrmann.

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