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Sport: Verlorene Führung

Jörg Roßkopf sollte die jungen Spieler mitreißen – doch der 35-Jährige scheitert bei der Tischtennis-EM

Jörg Roßkopf sollte die jungen Spieler mitreißen – doch der 35-Jährige scheitert bei der Tischtennis-EM Wenn es um schwere Fragen geht, dann tritt Jörg Roßkopf immer noch als Führungsspieler auf. Es waren lauter schwere Fragen, die den deutschen Tischtennisspielern nach ihrem Ausscheiden im EM-Viertelfinale gegen Rumänien in Aarhus gestellt wurden. Roßkopf zögerte nicht, darauf zu antworten. Er wollte Verantwortung zeigen. Mit ernster Miene gab er die entscheidende Parole aus: „Wir greifen in zwei Jahren wieder an.“ Führungsspieler Roßkopf – dieser Automatismus funktioniert noch immer. Diese Rolle hat er sich als Rekordnationalspieler, als Weltmeister im Doppel 1989 und als Olympiadritter im Einzel 1996 hart erarbeitet. Eher gemütlich schlenderte dagegen der neue Spitzenspieler Timo Boll hinter Roßkopf durch die Halle. Auf Fragen nach der Niederlage reagierte Boll mit Ironie und lächelte öfter. Das war eine Möglichkeit, mit der Enttäuschung umzugehen. Mit seinen 24 Jahren hat Boll auch noch Zeit, diesen Titel des Mannschaftseuropameisters zu gewinnen. Die hatte Roßkopf 1990 auch noch, als er sein erstes von drei Endspielen verlor, damals gegen Schweden in Göteborg 2:4, gegen Jan-Ove Waldner, Jörgen Persson und Mikael Appelgren. Doch Zeit hat der 35-jährige Roßkopf jetzt nicht mehr viel. In Aarhus ist Roßkopf bislang die tragische Figur in der deutschen Mannschaft. Er sollte das Team gemeinsam mit Boll endlich zum ersten Titel führen. Dieser Erfolg ist Roßkopf ein Herzenswunsch. Es ist auch dieser Titel, der Roßkopf noch nicht ans Aufhören denken lässt – trotz zahlreicher Verletzungen. Mit seiner Erfahrung und seinem Kampfgeist sollte er die jüngeren Spieler mitreißen. Doch es kam anders. Die Mannschaft verlor 1:3, und Roßkopf unterlag dem in der Europarangliste 43 Ränge tiefer platzierten Constantin Cioti. Nach dem 3:0 gegen Belgien spielen die Deutschen nun um Platz fünf. Besonders bitter dürfte es Roßkopf empfunden haben, dass hinterher seine Rolle angezweifelt wurde. In den Tischtennis-Internetforen und in der Halle in Aarhus wurde heftig diskutiert, ob er überhaupt einen Platz im Team verdient habe. Schließlich mussten für ihn die beiden aufstrebenden Spieler Christian Süß und Bastian Steger auf die Teilnahme im Teamwettbewerb verzichten. Gerade Stegers Nichtberücksichtigung war rätselhaft. Der deutsche Vizemeister gilt zurzeit hinter Boll als Nummer zwei in Deutschland. Vielleicht haben die Bundestrainer an eine Wendung wie vor zwei Jahren bei der EM in Courmayeur geglaubt, als Roßkopf nach langer Verletzung den Weg zurück fand und im Einzel sogar Dritter wurde. Cheftrainer Dirk Schimmelpfennig sagte damals, Roßkopfs Rückkehr sei eine Geschichte, die er später seiner kleinen Tochter zur Motivation erzählen werde. Am Ende hatte Roßkopf Trost nötig. Der Ehrenpräsident des Deutschen Tischtennis-Bundes Hans Wilhelm Gäb sagte: „Mir tut Jörg Roßkopf Leid. So einen Abschied aus der Nationalmannschaft hat er nicht verdient.“ Roßkopf selbst mag dagegen noch nicht an Abschied denken.

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