zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Vom Pfarrhaus zum Ort des Grauens

Vor 60 Jahren richtete der sowjetische Geheimdienst in der Leistikowstraße 1 ein Gefängnis ein

Vor 60 Jahren richtete der sowjetische Geheimdienst in der Leistikowstraße 1 ein Gefängnis ein Nauener Vorstadt - Vor 60 Jahren verwandelte sich das Gebäude Leistikowstraße 1 von einem Ort der Nächstenliebe und Toleranz in einen Ort des Schreckens. Am 13. August 1945 richtete der sowjetische Geheimdienst KGB in dem 1916 bis 1918 durch den Evangelisch-Kirchlichen Hilfsverein errichteten Pfarrhaus, in dem auch die Evangelische Frauenhilfe ihren Sitz hatte, ein Gefängnis der Spionageabwehr ein. Viele vorwiegend jugendliche Deutsche wurden hier aus meist nichtigen Gründen inhaftiert, gefoltert, zum Tode oder zu langjähriger Lagerhaft im sibirischen Workuta verurteilt. Aber auch nicht linientreue sowjetische Soldaten traf dieses Schicksal Der Verein Gedenk- und Begegnungsstätte Ehemaliges KGB-Gefängnis Potsdam e.V. nahm jenen unseligen Tag zum Anlass, um an die Opfer der stalinistischen Willkür zu erinnern. Zum Gottesdienst in der Pfingstkirche, der vom Vereinsvorsitzenden Pfarrer Christian Albroscheit gehalten wurde, zum nachmittäglichen Treffen in der Gedenkstätte und zur abendlichen Begegnung im Heilig-Kreuz-Haus waren auch ehemalige Häftlinge gekommen. Der Potsdamer Peter Seele, damals widersinnig der Spionage für England bezichtigt, und Günter Martins, dem zur Ernährung seiner Eltern betriebene Wilderei zum Verhängnis wurde, legten im Auftrag ihrer Leidensgenossen einen Kranz nieder. Dazu las der Leipziger Reinhart Pröller, der nach einem Verwandtenbesuch in Westdeutschland verhaftet worden war, ein eindruckvolles Gedicht über seine Zeit in der Todeszelle. An einer Podiumsdiskussion beteiligten sich u.a. Hergart Wilmanns und Lothar Scholz, die beide ihre grauenvollen Erlebnisse publiziert haben. Seinen jetzt als Broschüre erschienenen Lagerbericht legte der Potsdamer Hermann Schlüter vor, der als Schüler die Teilnahme am Russisch-Unterricht verweigert hatte. Auf den Veranstaltungen dankten Vertreter des Landes Brandenburg, darunter der SPD-Fraktionsvorsitzende Günter Baaske in einem Grußschreiben, und der Stadt Potsdam den Vereinsmitgliedern und den ehemaligen Häftlingen erneut für ihr Engagement, dieses dunkle Kapitel stalinistischen Terrors aufzuarbeiten und ihre Erlebnisse den jüngeren Generationen zu vermitteln. Für den Hauseigentümer, den Evangelisch-Kirchlichen Hilfsvereins, unterstrich Geschäftsführer Peter Leinemann, das einzige in Deutschland original erhaltene KGB-Gefängnis müsse als Zeugnis der Geschichte erhalten bleiben. Zusagen für eine finanzielle Unterstützung der dringend notwendigen Sanierung blieben jedoch auch diesmal aus. Immerhin erklärte Bildungs-Staatssekretär Martin Gorholt, sein Ministerium bemühe sich um die Anerkennung der Leistikowstraße 1 als „Gedenkstätte von bundesweiter Bedeutung“. Dies würde die Chance auf eine Förderung durch den Bund verbessern. Dennoch bliebe auch dann die Frage des Eigenanteils offen, den Land, Stadt, der Hauseigentümer und der Verein, auch mit Hilfe von Spendern und Sponsoren, aufbringen müssten. Der Verfall des Gebäudes ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass die Sanierungskosten auf etwa zwei Millionen Euro geschätzt werden. Teile des Hauses mussten bereits für den Publikumsverkehr gesperrt werden, darunter das Herzstück der Gedenkstätte, die im Keller untergebrachten Todeszellen. Die Leistikowstraße 1 ist bis Ende Oktober Sa./So. von 11 - 17 Uhr geöffnet. Gruppenführungen können unter Telefon (033080) 40743 (Ch. Albroscheit), (030) 8012471 (R. Buchner) oder (0331) 711290 (W. Börner) angemeldet werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false