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Landeshauptstadt: Vom Spieß zum General

Heute dirigiert Günther Rhauda über 300 Gebäudereiniger. 1990 fing er mit drei Mann an. Politiker, sagt er, müssen umdenken

Heute dirigiert Günther Rhauda über 300 Gebäudereiniger. 1990 fing er mit drei Mann an. Politiker, sagt er, müssen umdenken Von Guido Berg Er hätte es nicht nötig gehabt, aber er wollte es so. Günther Rhauda hatte bei der Nationalen Volksarmee der DDR eine Unteroffizierslaufbahn hinter sich – und die DDR war nicht dafür bekannt, dass sie ihre Armeekader hinterher im Zivilleben beruflich im Regen stehen ließ. Er hätte sich ein Pöstchen aussuchen können. Zudem hatte er schon zwei Berufe in der Tasche, er war Werkzeugmacher und Elektromechaniker. Für die, die sich erinnern können: „Keene Leute, keene Leute“, in der DDR herrschte Personalmangel. Doch Rhauda fängt 1985 von vorn an. Das heißt in seinem Fall, ganz unten. Wer eine Lehre als Gebäudereiniger beginnt, der kriegt als erstes einen Lappen in die Hand. Ihm war es recht. Der 1947 in Liebenwalde Geborene lacht und zündet sich eine Zigarette der Marke „Atika“ an. Die Sorte gibt es nur an einer einzigen Stelle in Potsdam zu kaufen. Rhauda weiss, dass die Antwort auf die Frage, warum er dann noch ausgerechnet Gebäudereiniger werden wollte, allgemein Verblüffung auslöst. In dem Beruf muss man früh aufstehen – und das genau liegt ihm. Er hat nach der Lehre noch seinen Meister gemacht. Dann, nach der Wende, am 2. Mai 1990, gründete er seine Firma: Günther Rhauda Gebäudereinigung. Angefangen hat er mit drei Mann. Der Alltag sah so aus: Zwischen drei und acht Uhr putzen, dann duschen, umziehen und neue Aufträge reinholen. Nach einem Vierteljahr wienerten schon zehn Kollegen bei Rhauda, heute sind es je nach Auftragslage zwischen 300 und 350. Er hat Filialen in Potsdam, Ludwigsfelde, Brandenburg/Havel und Schlotheim in Thüringen. Da hält sein Personal ein Trainingszentrum der Fußballer von Mönchengladbach sauber. „Organisation ist meine Welt“, sagt er. Auf seinem Schreibtisch steht kein Computer, er hat alles im Kopf: wie hoch die Lohnkosten sind, den Umsatz, die Aufträge. Noch immer steht er um 4 Uhr auf, um den Papierkram zu machen, Kostenangebote bei Ausschreibungen zum Beispiel. „Dadurch habe ich tagsüber Zeit für operative Sachen“. Es ist das einzige Mal, dass Rhauda Militär-Jargon benutzt: Operativ-taktisch steht in der Sprache der Militärs für Augenblicks-Entscheidungen während kleinerer Scharmützel, im Gegensatz zu „strategisch“ für die Großkriegslage. Rhauda erinnert als Typ sehr wenig an einen Militär. Er ist witzig und unverspannt. „Ich war der lustigste Vogel im ganzen Warschauer Vertrag“, lacht er. „Ich mache am Tag mindestens 15 Witze“, schätzt er und seine Kollegen versichert er, schätzen die gute Arbeitsatmosphäre in seiner Firma. Schon bei der Armee, als er der Hauptfeldwebel war, der Spieß, die Mutter der Kompanie, verantwortlich für Bekleidung und Ausrüstung, da arbeitete er nach der Devise: „Wenn es meinen Soldaten gut geht, geht es mir auch gut“. Seine Augen glänzen kurz auf als wolle er sagen, „Geschichten könnte ich erzählen“. „Aus nischt was Schönes machen“, das war sein Job damals. Sie waren oft im Feld. Da musste man improvisieren. Rhauda erzählt, dass sie Köche vom Interhotel in der Truppe hatten und wie kulturvoll sie im Feldlager auf weißen Tischdecken dinierten. Als Feld-Toilette installierte Hauptfeldwebel Rhauda selbstverständlich nicht einfach nur einen großen Balken. Nein, „seine“ Soldaten durften sich auf einen alten Lkw-Sitz mit Lehne setzen, in dessen Polster ein großes Loch geschnitten war. Seine menschliche Art soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der mittelgroße Mann mit dem korrekten Scheitel auch anders kann. Wenn etwas nicht in der Akkuratesse gemacht wird, wie in der Führungsrunde vorher besprochen, „dann brülle ich auch mal wie ein General über den Flur“. Rhauda sagt, die Leute verstehen das, „der Blutdruck steigt kurz auf 180“, später gibt es „einen Schulterklopfer und dann geht es weiter“. Dass seine Organisationsweise „generalstabsmäßig“ anmutet, hört er nicht ungern. Exakt 34 Dienst-Handys hat er angeschafft, mit denen seine Kolonnenführer ausgerüstet sind. Die Nummern sind alle in seinem eigenen Handy gespeichert. Wenn seine Frau Marina gefragt wird, was ihren Mann hauptsächlich aus macht, antwortet sie spontan, „seine Flexibilität, sein schnelles Schalten“. Noch Freitagmittag kann ihn jemand anrufen und mal eben um die spontane Reinigung von hundert Fenstern bitten. Ihr Mann überlege nur kurz und bereits fünf Minuten später dirigiere er per Telefon seine Truppen. „Die Leute können nicht mehr schneller arbeiten“, weiß der Selfmademan, dessen Geschichte etwas an den amerikanischen Traum vom Tellerwäscher zum Millionär erinnert. Ressourcen, um noch billigere Angebote machen zu können, liegen allein in der Organisation. Wege verkürzen, rationalisierte Abläufe, dass ist das Erfolgsgeheimnis des Günther Rhauda. Als er anfing, wollten die Banken nicht einmal seinen ersten Transporter finanzieren, er setzte einen alten Trabbi-Anhänger ein. Heute rufen die Banker bei ihm an und fragen, ob „ein Kreditchen gefällig“ wäre. Die ersten Jahre sind Banken keine Helfer, sagt er. In seiner Freizeit unterstützt Rhauda Sportvereine und fährt mit zu Wettkämpfen. Das ist ein Ausgleich für ihn, den er braucht. Unter anderem sitzt er im Vorstand des Kanu-Clubs Potsdam. Von dieser ehrenamtlichen Arbeit her kennt er viele hochrangige Politiker. Auch wenn er mit ihnen teils freundschaftlich verbunden ist, sagt er, „die müssen alle “mal ein bisschen umdenken“. Er glaubt, dass viele durch alle Parteien hinweg die Probleme der kleinen und mittelständischen Firmen nicht kennen. „Die müssten sich mal die Jacke anziehen und in die Firmen gehen“, findet er. Problematisch seien die Ein-Euro-Jobs, die reguläre Arbeitsplätze kosteten. Auch seien europaweite Ausschreibungen Gift für die lokalen kleinen Firmen. Es müsste beschränkte Ausschreibungen geben mit kleineren Losen, damit die, die hier ihre Gewerbesteuer zahlen, auch eine Chance hätten. In die Hysterie, Billiganbieter aus Osteuropa würden die Preise drücken, will er nicht mit einstimmen. „Das wird sich richten“, sagt er. Auch die Osteuropäer „machen es nicht mehr alle Zeit für vier Euro die Stunde“. Am 18. September wird er seine Stimme abgeben. Er hofft, dass sich durch die Wahl etwas ändert. So recht daran glauben kann er aber nicht.

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