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Landeshauptstadt: Von Poesiealbum bis Frömmigkeitskult

Schenken und Dank müssen für Christoph Schröder von Herzen kommen, sonst sind sie nichts wert. Geschenkt bekam er den Vorruhestand, gedankt wurde für seine Arbeit – letzteres nahm er gerne an.

Schenken und Dank müssen für Christoph Schröder von Herzen kommen, sonst sind sie nichts wert. Geschenkt bekam er den Vorruhestand, gedankt wurde für seine Arbeit – letzteres nahm er gerne an. Eine Blume von jedem Klassensprecher, schöne Worte aus jedem Mund. Alle sind sie für den Mann, der das Evangelische Gymnasium Hermannswerder seit 20 Jahren leitet und der der bis zuletzt wusste, noch nicht am Ende seiner Aufgabe am Gymnasium der Hoffbauer- Stiftung zu sein. Doch nun geht der 59- jährige Schulleiter Christoph Schröder in den Vorruhestand, wie er sagt eine nur „eigentlich beneidenswerte Zeit“. Schröder sprach gestern in seiner letzten Predigt als Rektor von Schenken und Dank. Von Herzen müssen die Gaben kommen, sonst seien sie nichts wert. Geschenkt hat das Kuratorium der Hoffbauer Stiftung ihm den Vorruhestand, gedankt hat es für die Arbeit der beiden vergangenen Jahrzehnte. Den Dank hat er gerne angenommen. Als Christoph Schröder 14 Jahre alt war, ließ er sich Sprüche in sein Poesiealbum schreiben. Das war 1959, vor beinahe einem halben Jahrhunderte – die Verse aber sind zeitlos. „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“ – von Antoine De Saint-Exupery aus „Der kleine Prinz“ steht da geschrieben. Ein Satz, der ihn, den Pfarrer mit seinem Glauben an Gott, im Berufsleben immer wieder eingeholt hat. Er warnte immer davor, die Augen zu verschließen. Aber das Herz könne bei der Entscheidungsfindung helfen. Oft stand Schröder vor den Kreuzungen des Lebens, 1984 beispielsweise, als er Gemeindepfarrer in Mahlow war, entschied er sich für die Schule auf Hermannswerder. Damals noch ein kirchliches Oberseminar mit 75 Seminaristen. Die Lehrer hießen Dozenten, die Dienstbesprechung Konvent. Es war Ausdruck der DDR-Bildungspolitik, die keine Lehranstalt dieser Art duldete. Dennoch erinnert sich Christoph Schröder gern an diese Zeit, als sich ein Jahr vor dem politischen Umbruch Kinder der Schule in Frömmigkeitskulte steigerten und eines Abends die obere Etage von Dämonen befreien wollten. Alles was heidnisch durchsetzt war, flog aus dem Fenster. Es kam die Zeit der neuen Besonnenheit, die Zeit des Umbruchs und der Aufstände. Denn im Hinterkopf Schröders hat sich während der Revolution von 1989 ein Gedanke festgesetzt – alles kann so enden wie auf dem „Platz des himmlischen Friedens“ in Peking, als demonstrierende Studenten von Panzern überrollt wurden und mit Gewalt die kommunistische Macht erhalten blieb. Auf Hermannswerder folgte dem Herbst ’89 die Zeit der Reformen, in der Schröder „zugriff, als andere zögerten und die Schule über die Wende brachte“, sagte die stellvertretende Schulleiterin Brigitte Thies-Böttcher während des gestrigen Weihnachtsgottesdienstes. Schröder trieb die Entwicklung zur evangelischen Privatschule voran, öffnete das Haus für Nichtchristen und arbeitete in den vergangenen beiden Jahren an einem neuen Schulprogramm für die 58 Lehrer und 578 Schüler. Nun soll ein anderer seinen Geist von Schule weiter führen. Was bis dahin bleibt, ist eine physische Lehre. Denn Schröders Platz als Rektor wird bis zum Ende des Schuljahres nur übergangsweise besetzt. Der Schulreferent der Stiftung, Jürgen Kraetzig, übernimmt kommissarisch ab Januar die Geschicke und soll den neuen Direktor zu Beginn des kommenden Schuljahres einarbeiten. Zum Leidwesen vieler Kollegen aus dem Haus, die ihren Unmut nicht öffentlich äußern, ihn aber dennoch nicht verstecken. Denn Kraetzig leitete bisher die Berufsschule „Theodor Hoppe“ des Berufsbildungswerkes der Oberlinhaus gGmbH und wechselte erst vor kurzem als Schulreferent in die Hoffbauer Stiftung. Anwesend war er gestern in der Inselkirche nicht, die bis zum letzten Platz gefüllt war. Für einen Gottesdienst der besonderen Art, nach dem der Prediger mit Applaus verabschiedet wurde. jab

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