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Landeshauptstadt: Weg, bloß weg hier

Horst Künzel überlebte in einem Kellergang des Einsteinturmes den Bombenangriff vom 14. April 1945

Horst Künzel überlebte in einem Kellergang des Einsteinturmes den Bombenangriff vom 14. April 1945 Kurz vor Kriegsende, am 14. April 1945, wurde Potsdam Ziel eines verheerenden britischen Luftangriffes. Aus Anlass des 60. Jahrestages des Bombardierung schildern Zeitzeugen in den PNN, wie sie die Nacht des 14.April er- und überlebt haben. Heute: Horst Künzel, geboren 1921. Der Babelsberger erlernte am Astrophysikalischen Observatorium in Potsdam den Beruf des Feinmechanikers. Als Luftwaffensoldat war er zu einer Forschungskompanie abkommandiert und tat Dienst im Einsteinturm. Dort wurde über den Einfluss von Sonnenaktivitäten auf den Funkverkehr geforscht. Ich hatte am 14. April Nachtwache für den Bereich Sonnenphysik. Dazu gehörte eine Holzbaracke und darin hatte ich ein Zimmer. Ich hielt mich darin auf und verfolgte über Radio den Luftzustandsbericht. Da hieß es: Anflug größerer Bomberverbände in Richtung Berlin. Dann gab es Fliegeralarm, ein furchtbares Geheule. Da war mir klar, sie kommen zumindestens hier drüber weggeflogen. Etwas später tauchte ein Gebrumm auf und es wurden „Weihnachtsbäume“ gesetzt, Lichtabgrenzungen, innerhalb derer die Bombardierung stattfinden sollte. Das war brennendes Magnesium, das an Fallschirmen oder Ballons hing und die Gegend minutenlang taghell erleuchtete. Diese Abgrenzung stand nun über Potsdam. Und damit war mir klar, jetzt sind wir dran. Es dauerte aber noch eine Weile, bis die Bomberverbände ran waren – mit dem Ergebnis, dass die gesteckten Ziele durch Wind abtrieben und das ursprünglich vorgegebene Gebiet verrutschte. Und damit möchte ich meinen, ist auch das Observatorium in diesen Bereich geraten, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass sie etwas wussten von dem, was wir dort machten und deshalb Bomben darauf warfen. Dann begann ein Gebrumm, das stärker wurde und ich ging in Richtung Einsteinturm, wo ich mir schon einen Platz ausgesucht hatte, an dem ich mich am sichersten glaubte. Das war ein Verbindungsgang von einem Labor zu einem weiteren, der war als Viertelbogen mit sehr starken Mauern ausgebildet, so dass man sich dort aufhalten konnte in der Hoffnung, wenn nicht genau an dieser Stelle eine Bombe runter fällt, kommt man auch wieder heil raus. Vom Seiteneingang verfolgte ich das Geschehen noch. Ich hörte das Einsetzen von Flugabwehrfeuer – die Flugabwehrgeschütze machen ja so ein bellendes Geräusch. Dann wurde das Geräusch der Flugzeuge stärker und die ersten Bomben fielen. Ich hatte schon früher die Erfahrung gemacht, dass man mitzählen kann – eins, zwei, drei Detonationen – und dann war zumindestens eine Bombenserie schon mal weg. Aber es wurde dann so stark, dass an einem Mitzählen nicht mehr zu denken war. Ich verschwand dann doch lieber in mein Versteck dort unten. Nach einer gewissen Zeit tauchte ein Geräusch auf, dass ich bis dahin bei Bombenangriffen noch nicht gehört hatte, so ein Gurgeln, offenbar ein sich überschlagendes größeres Objekts, man hätte denken können, ein Flugzeug, das abgeschossen worden war. Das Geräusch verstärkte sich – ja und dann war es passiert: Es gab einen Riesenknall, die Explosion einer Luftmine. Durch den dann entstehenden Sog riss eine der Türen in dem Viertelgang auf, die andere konnte nicht, die war am Anschlag und blieb zu. Ich saß an der Tür, die zu blieb, die andere wurde rausgerissen. Dann war es auch schon vorbei. Es fielen noch weitere Bomben, doch das verebbte dann. Ich wartete eine Weile. Dann wollte ich raus. Es gab kein Licht. Ich versuchte, durch das Labor rauszukommen, das war nicht zu machen, alles war rausgerissen, umgekippt, zerschlagen. Mir blieb nichts übrig, als durch eines der Fenster rauszukommen. Die Scheiben waren entzwei, ich zwängte mich über einen Labortisch raus, kam ins Freie und war völlig entsetzt: Das Holzhaus, in dem ich vor dem Angriff saß, war weg. Ich muss, das kann man im Nachhinein schwer beurteilen, so eine Art Schock bekommen haben. Denn es kam in mir plötzlich der Drang auf, weg, bloß weg hier. So dass ich gar nicht bemerkte, dass am Eingang ein Feuer brannte. Ich hätte es ohne Weiteres noch löschen können, aber ich hatte diesen Drang, weg, weg. Ich verschwand dann aus dem Gelände. Man hatte mich aber gesehen. Das war großes Glück, weil man mich nach dem Angriff suchte. Ich war nicht aufzufinden, doch mein Verbleib ließ sich später klären. Ich war nach Hause gegangen. aufgeschrieben von Guido Berg

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