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Homepage: Wegweiser in die Krisenregion

Das Militärgeschichtliche Forschungsamt Potsdam veröffentlicht Nahost-Buch für die UNIFIL-Truppen

Über zwei Monate schon befinden sich Kriegsschiffe der Bundeswehr in den Gewässern vor der Küste Libanons. Die deutschen Verbände, im Rahmen der aufgestockten UNIFIL-Truppen im Zedernstaat, sollen eine Neubewaffnung der Hisbollah per Seeweg verhindern. Ein Wiederaufflammen des Krieges zwischen Israel und der Hisbollah soll so unterbunden werden. Einen ersten unrühmlichen Zwischenfall gab es ausgerechnet von israelischer Seite, als deren Kampfflugzeuge eines der deutschen Schiffe versehentlich ins Visier nahmen.

Ein „Wegweiser zur Geschichte: Naher Osten“ soll nun die im UNIFIL-Kontingent aktiven Bundeswehrsoldaten auf die Krisenregion und ihre Spezifika vorbereiten. Herausgegeben wurde das Buch von Bernhard Chiari und Dieter H. Kollmer, Mitarbeitern des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes Potsdam (MGFA). Der „Wegweiser“ reiht sich ein in die bereits erschienenen Publikationen zu den Krisenregionen Bosnien-Herzegowina, Afghanistan, des Kongo und dem Kosovo. Das Analyse-Werk des MGFA möchte dabei nicht nur den zukünftigen UNO-Soldaten im Nahosteinsatz, sondern auch den „zivilen Leser“ erreichen.

„Des einen Terrorist ist des anderen Freiheitsheld“, so beschreiben Melanie Herwig und Rudolf J. Schlaffer die Stimmung im Libanon nach dem Hisbollah-Israel-Krieg. Herwig und Schaffler, zwei von insgesamt 20 Autoren des „Wegweisers“, geben in ihrem Aufsatz „Die Hisbollah in Libanon“ eine Ahnung von den komplizierten politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen im Land wieder. Auch auf internationaler Ebene: während etwa die US-Regierung die Hisbollah als das „A-Team des Terrorismus“ bezeichnen, kritisiert die EU zwar den bewaffneten Kampf der „Partei Gottes“, spricht ihr aber nicht die demokratische Legitimation ab.

Norbert Kampe geht in seinem Beitrag auf die deutsch-israelischen Beziehungen und die Rolle des Holocaust in Israel ein. Der Autor betont das gute Verhältnis beider Staaten, verweist aber auf die starke öffentliche Erinnerung an den Völkermord. Da der Holocaust zudem die Sicht in Israel auf die aktuelle politische Situation mit den Nachbarn öfters verstellt, bereitet Kampe den deutschen Marinesoldaten schon mal auf ein Wechselbad der Befindlichkeiten vor.

Der „Wegweiser zur Geschichte: Naher Osten“ doziert keine handfesten Lösungen, aber er vermittelt fundierte Informationen und Einblicke. Die historischen Entwicklungen des Nahen Ostens von der Antike bis ins 20. Jahrhundert sind im ersten Teil Gegenstand des Buches. Immer wieder wird hier auf den deutschen Einfluss auf die Region, von Bagdad-Bahn bis Rommel-Feldzug, verwiesen. Die Entstehung des Staates Israel wird sehr anschaulich dargestellt, eine Analyse der Lage im Libanon trägt zum besseren Verständnis bei. Hintergründe zu den Nahostkriegen ab 1948 und zu den Friedensprozessen erhalten hingegen leider nur ein geringes Augenmerk.

Im zweiten Teil des Buches, den „Strukturen und Lebenswelten“, wird der Versuch unternommen, Religionen und Gesellschaften im Nahen Osten vorzustellen. Auffällig ist hier die übermäßige Gewichtung der israelisch-jüdischen Seite. Wird des Leser detailliert zum Judentum in Israel informiert, so beschränkt sich die Darstellung des Islam vordergründig auf religiöse Gewalt. Eine sehr interessante Sichtweise auf den Nahostkonflikt wirft die Analyse zu „Wirtschaft und Ökologie“. Der Beitrag über die versuchten Konfliktlösungen der Vereinten Nationen in Nahost gibt dem Leser ein Zeugnis der Ohnmacht bisheriger internationaler Friedensbemühungen. Im Anhang sind noch eine Zeitleiste sowie ein sehr hilfreiches Literatur- und Medienverzeichnis beigefügt. Der aktuelle „Wegweiser“ des MGFA rüstet den angehenden UNIFIL-Soldaten wie auch die „Zivilperson“ mit einem soliden und gut lesbaren Wissensapparat aus. Eik Dödtmann

„Wegweiser Geschichte: Naher Osten“, 264 Seiten, Schöningh-Verlag, 12,90 Euro.

Eik Dödtmann

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