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Landeshauptstadt: Wie Kinder das Lernen lernen

Von Montessori bis Waldorf: Potsdamer Grundschulen erwarten die neuen Erstklässler mit unterschiedlichen Konzepten

Wenn Eltern in diesen Tagen ihre Kinder zum Schulbesuch anmelden, lohnt es genauer hinzuschauen. Denn nicht immer ist die Schule in Wohnortnähe die wirklich nahe liegende für das eigene Kind. Viele Grundschulen öffnen jetzt den künftigen Schülern und ihren Eltern die Türen, laden ein zu Hospitationen, zu Probestunden und Gesprächen, um ihr Profil vorzustellen.

Das Kind als „Baumeister seiner selbst“ anzuerkennen, ihm Freiräume zu schaffen und es in seiner Entwicklung zu unterstützen, ist das Grundverständnis der Montessori-Schule (22), die nach der pädagogischen Konzeption der italienischen Ärztin und Psychologin Maria Montessori arbeitet. Mit besonderen Materialien können die Kinder in einer „vorbereiteten Umgebung“ selbstständig mathematische, sprachliche und naturwissenschaftliche Zusammenhänge begreifen. Freiarbeit bildet deshalb den Kern der Unterrichtszeit, in der das Kind seinem Entwicklungstempo entsprechend Lernziele verfolgt. Die Lehrer beobachten und begleiten es in diesem Prozess mit Anregungen, Gesprächen und unterstützenden Beurteilungen. Zensuren erteilen sie bis zur 8. Klasse nicht. Neben der Freiarbeit werden an der Montessori- Schule einzelne Fächer auch in Lektionen unterrichtet, und dies in altersgemischten Klassen, in denen Kinder vom 1. bis zum 3. und vom 4. bis zum 6. Schuljahr mit- und voneinander lernen. In fächerübergreifenden Projekten suchen sie gemeinsam nach Lösungen eines Problems und präsentieren ihre Ergebnisse.

Die Vorteile altersdurchmischter Klassen nutzen auch jene Grundschulen mit einer „Flexiblen Eingangsphase“, in der die Kinder je nach Entwicklungstempo ein bis drei Jahre verweilen können, ehe sie in die 3. Klasse gehen. Unterschiede werden hier als natürlich angesehen. Die Jüngeren lernen von den Älteren. Alle helfen einander. Wer schneller lernt, kann vorzeitig in die 3. Klasse wechseln. Wer etwas länger braucht, bekommt die nötige Zeit, ohne Angst sitzen zu bleiben. Die Schule (56) im Kirchsteigfeld, die in ihre Flex-Klassen bei entsprechender Eignung auch jüngere Kinder aufnimmt, hat sich auf differenzierende Unterrichtsmethoden eingestellt, denn nur so können auch Schüler mit Behinderungen integriert werden. Sonderpädagogen und Zweitlehrer ermöglichen hier viel Gruppenunterricht.

Auch wenn die staatlichen Schulen einheitlichen Rahmenplänen folgen, so setzen sie doch unterschiedliche Gewichtungen. Die Primarstufe der Goethe-Gesamtschule in Babelsberg zum Beispiel fördert verstärkt die Entwicklung der Lesekompetenz als eine grundlegende Kulturtechnik für jegliches Lernen. In Kleingruppen üben die Kinder Lesetechniken, lernen frühzeitig, Informationen aus Texten zu entnehmen, Sachaufgaben in Mathematik zu analysieren, Bastelanleitungen zu verstehen. Und natürlich stehen bei ihnen Geschichten hoch im Kurs. Die lesen sie nicht nur für sich selbst, sondern auch vor Kindergartenkindern.

Umwelterziehung ist ein Markenzeichen der Grundschule 20 am Priesterweg. Ein großer Schulgarten mit Kaninchenzucht, Teichanlagen, Insektenhotel und Lehmbackofen ist das Entdeckungsfeld, in dem die Kinder von der sinnlichen Erfahrung zur theoretischen Einordnung gelangen können. Das funktioniert nicht nur in Sachkunde und Biologie, sondern auch in Mathematik bei der Vermessung und Flächenberechnung der Beete, in der Deutschstunde auf der Lesewiese oder bei Naturstudien im Kunstunterricht.

Die Unesco-Projektschule am Humboldtring (37) beschäftigt sich neben dem Umweltschutz verstärkt mit dem Weltkulturerbe in Potsdam. Thematisiert wird aber auch das Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Im Schulalltag erfahren die Kinder die Vielfalt als Bereicherung, lernen tolerant und friedlich miteinander umzugehen. „Global denken – lokal handeln“ bedeutet für sie, Armut in der Welt wahrzunehmen, sich für ein konkretes Hilfsprojekt einzusetzen, selbst etwas zu tun.

Im musisch-künstlerischen Bereich liegt das Profil der Max-Dortu-Grundschule (8). Das Musizieren mit Orffschen Instrumenten ab der 1. Klasse kann sich stufenweise aufbauen bis zum Schulorchester. Alljährlich zeigen die Sechstklässler in einer großen Tanz- und Musikrevue, was sie gelernt haben. Das gemeinsame Spiel, die langen Proben schweißen zusammen. Ein Effekt, den sich die Pädagogen auch von einer anderen Besonderheit ihrer Schule erhoffen: der einheitlichen Schulkleidung. Nach dem Beginn des in Potsdam einzigartigen Versuchs beobachten die Lehrer erste positive Auswirkungen auf das soziale Verhalten und eine bessere Integration von sozial benachteiligten Schülern.

Wie die Dortu-Schule, so offerieren inzwischen viele Schulen Ganztagsangebote oder versuchen gemeinsam mit dem Hort, das Spielen und Lernen sinnvoll zu verbinden. Die Zeppelin-Grundschule (23) hat hierbei ein sportbetontes Profil entwickelt. Ab der 1. Klasse können die Kinder nachmittags Schwimmen gehen, Leichtathletik oder Ballspiele trainieren. Besonders Talentierte, die bereits regelmäßig Sport treiben, lernen ab der 3. Klasse Schule und Training besser zu koordinieren – eine wichtige Voraussetzung für alle, die ab Klasse 5 ein erhöhtes Trainingspensum am Morgen und am Nachmittag mit den schulischen Anforderungen in Einklang bringen müssen.

Die Neue Grundschule Potsdam, eine Ganztagsschule in freier Trägerschaft, betreibt verstärkt Medienerziehung, ab der 5. Klasse auch Informatik. Kinder stellen selbst Medien her und nutzen sie zum Lernen und Recherchieren. Eine besondere Herausforderung an dieser Schule ist jedoch der bilinguale Unterricht ab Klasse 1. In drei zusätzlichen Pflichtwochenstunden in Mathe, Sachkunde und Musik wird Englisch gesprochen. Ab der 3. Klasse kann dann Spanisch oder Französisch hinzugewählt werden.

Auch in der Freien Waldorf-Schule fließen Englisch und sogar Russisch in den Unterricht ein, anfangs zumeist im „Rhythmischen Teil“ des Tages, in dem die Kinder singen, reimen und rezitieren. Diesem musischen Auftakt folgt in der Waldorfpädagogik ein Arbeitsteil, in dem ein Themengebiet aus einem der Hauptfächer in mehrwöchigen Epochen konzentriert behandelt wird. Die Kinder schreiben und gestalten hierzu Epochenhefte, mit denen sie das Gelernte nochmals vertiefen. Der Erzählteil beendet den Unterricht jeweils mit einer Geschichte oder einem Gespräch.

In der Evangelischen Grundschule lernen die Schüler in altersgemischten Gruppen nach individuellen Wochenplänen, die ein Pflichtpensum enthalten, daneben aber genügend Freiraum für eigene Themen lassen, die die Kinder selbstständig bearbeiten. Von Beginn an halten sie Vorträge, gestalten eigene Hefte, schreiben ganze Geschichtenbücher. Zensuren gibt nicht. Stattdessen verabreden Lehrer, Eltern und Kind in regelmäßigen Gesprächen zur Leistungsentwicklung, was gemeinsam zu tun ist. Bereits ab der 1. Klasse organisieren die Schüler eigenverantwortlich das Schulleben. Gewählte Vertreter unterbreiten im Kinderparlament Vorschläge, tragen sie zurück in die Gruppen, wo sie basisdemokratisch verhandelt werden.

Mitwirkungsgremien gibt es in allen Schulen. Natürlich auch für die Eltern. Eine Möglichkeit, Ideen einzubringen und die Schulzeit des eigenen Kindes bewusst mitzugestalten.

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