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Aus dem GERICHTSSAAL: „Wie viele Richter muss man abknallen?“

Jurist bedrohte Juristen aus Frust über schleppende Arbeitsweise der Gerichte

Torsten T.* (43) ist zutiefst frustriert. Der Jurist liegt im Clinch mit dem Landessozialgericht, das seinen Sitz in Potsdam hat. Aber eigentlich richtet sich seine Wut gegen den Staat. Der stellt seiner Meinung nach zu wenig Richter ein. Deshalb zögen sich wichtige Entscheidungen für die Betroffenen über Gebühr lange hin. Am 18. September vorigen Jahres machte der inzwischen von Hartz IV lebende Rechtsanwalt seinem Unmut so richtig Luft. Laut Anklage soll Torsten T. Selbsthilfe angedroht haben, würde das Gericht nicht binnen eines bestimmten Zeitraums über ein von ihm gestelltes Befangenheitsgesuch sowie seine Nichtzulassungsbeschwerde entscheiden. Provokativ fragte er in schriftlicher Form an: „Wie viele Gerichtsgebäude muss man wohl anzünden? Wie viele Richter muss man abknallen? Ich kann dem Gericht nur raten, meine Rechte nicht länger mit Füßen zu treten. “ Dass er die verantwortliche Sachbearbeiterin mit seinem Pamphlet in Angst und Schrecken versetzte, die Grenzen des guten Geschmacks weit überschritt, sieht der Rechtsgelehrte vor Gericht partout nicht ein. Klar, dass er auch das Urteil – 30 Tagessätze zu je 15 Euro wegen versuchter Nötigung – nicht akzeptiert.

„Der Staat darf alles. Der Bürger muss immer schlucken. Ich habe aus Notwehr gehandelt. Ein effektiver und verfassungsmäßig garantierter Rechtsschutz ist nicht gegeben, wenn ich ewig keine Entscheidung über meine Ansprüche bekomme“, empört sich der Angeklagte „mit Befähigung zum Richteramt“, wie er betont. „Sie sind nicht der einsame Rufer in der Wüste“, kontert der Staatsanwalt. „Sicher ist es unangenehm, wenn über Ihre Ansprüche nicht gleich entschieden wird. Das geht aber vielen so. Was Sie getan haben, ist erweiterte Selbstjustiz.“ Torsten T. lässt nicht locker. „Ich werde doch nicht schreiben: Liebes Gericht. Entscheide bitte ganz schnell. Damit übe ich keinen Druck aus. Wenn der Staat seinen Rechten nicht nachkommt, werde ich mich mit allen erforderlichen Mitteln dagegen zur Wehr setzen.“ Dann beteuert er.: „Selbstverständlich würde ich niemandem etwas antun. Aber dieses ständige Gejammere über die Überlastung der Gerichte geht mir auf den Keks.“

„Es gibt den Rechtsweg. Und der endet am Europäischen Gerichtshof“, entgegnet Amtsrichter Francois Eckardt dem Unzufriedenen. Der Angeklagte pariert: „Es kann nicht sein, dass ich mich durch sämtliche Instanzen kämpfen muss, um nach 15 Jahren endlich zu meinem Recht zu kommen. Inzwischen bin ich vielleicht längst gestorben.“

Als Torsten T. zwischenzeitlich die Entscheidung des Landessozialgerichts in seinem Rechtsstreit erhielt, fiel sie übrigens nicht zu seinen Gunsten aus. „In Ihrem Fall war es also unerheblich, dass sich das Urteil ein bisschen verzögert hat“, befand der Vorsitzende lakonisch. (*Name von der Redaktion geändert.) Hoga

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