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Landeshauptstadt: Zeit für die „Pötte“

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist auf Einladung von Brandenburgs Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) nach Potsdam gekommen, um die Hedwig-Bollhagen-Ausstellung zu sehen

Innenstadt - Die Kanzlerin lässt sich Zeit. Diese Schalen und Kannen, Vasen und Tassen haben etwas Beruhigendes. Die schlichten und harmonischen Formen, die einfachen Muster und Farben – davor könnte man Stunden verweilen und alle Sorgen vergessen. Die berühmten „Pötte“ der Bollhagen wirken bei langem Betrachten wie Meditation. Und so nimmt sich Angela Merkel Zeit vor den Vitrinen im Haus der Brandenburgisch Preußischen Geschichte und lauscht den Erklärungen von Gert Streidt, dem geschäftsführenden Direktor des Hauses.

Sie selbst redet nicht viel. Einmal zeigt Angela Merkel auf einen der „Pötte“ und sagt: „Sehr pragmatisch“. Weil sich in der Bundespolitik gerade mal wieder CDU und SPD kräftig in den Haaren liegen und darüber streiten, ob ein schärferes Jugendstrafrecht vonnöten sei, könnte man in diese zwei Worte einen Wunsch der Kanzlerin hineininterpretieren: Wenn die Politik doch auch so harmonisch und so pragmatisch wäre wie die Keramik der Hedwig Bollhagen.

Staatsbesuch am Neuen Markt. Auf Einladung von Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck ist die Kanzlerin am späten Dienstagnachmittag aus Berlin nach Potsdam gekommen, um sich im Haus der Brandenburgisch Preußischen Geschichte die Ausstellung „Hedwig Bollhagen. Ein Leben für die Keramik“ anzuschauen. Schließlich ist sie die Schirmherrin. Weil Termine verhindert haben, dass sie zur Ausstellungseröffnung im Juni vergangenen Jahres kommen konnte, hat Platzeck die Kanzlerin gebeten, doch wenigstens noch vor der Schließung am kommenden Sonntag vorbeizuschauen.

Die Presse ist schon eine halbe Stunde vor Ankunft der Kanzlerin aufmarschiert. Hinter roter Kordel im Eingangsbereich sind zahlreiche Kameras und Fotoapparate aufgebaut. In diesem abgesperrten Bereich wird diszipliniert gewartet. Dann geht alles sehr schnell. Zuerst kommen die Sicherheitsleute durch die Tür, kurz danach die Kanzlerin und schon hebt das Blitzlichtgewitter an. Platzeck und Streidt begrüßen Frau Merkel aufs Herzlichste, ein kurzes Zusammenstehen für die Kameras und schon geht es in die Ausstellung. Die Presseleute müssen über eine Hintertreppe gehen und stehen dann wieder vor einer roten Kordel im hinteren Bereich der Keramikausstellung. Museumsmitarbeiter überwachen strengstens, dass niemand diesen abgegrenzten Bereich übertritt. Dann heißt es warten, denn die Kanzlerin lässt sich Zeit.

Oft ist ein Lachen zu hören, während weiter vorn die Kanzlerin und der Ministerpräsident hinter den Vitrinen von Streidt die „Pötte“ erklärt bekommen. Ein herzliches Lachen, denn über das zahlreiche Geschirr können die CDU-Frau und der SPD-Mann die parteipolitischen Querelen vergessen. Manche Journalisten vertreiben sich derweil die Wartezeit, bis die Politiker auf Hörweite heran sind, mit Spekulationen. Wer von beiden wird wohl am ehesten Geschirr der Bollhagen im heimischen Wohnzimmerschrank zu stehen haben? Ehe die Herren zu einem Ergebnis kommen, schüttelt einer seinen Kopf und nennt diesen ganzen Auftritt nur einen „sinnfreien Termin“. Niemand widerspricht.

Endlich stellen sich Angela Merkel und Matthias Platzeck den Fotografen. Die Kanzlerin bekommt noch eine Schale aus der Bollhagen-Kollektion geschenkt, die sie für „sehr schön“ befindet. Dann erzählen beide, dass der Rundgang durch die Ausstellung viele persönliche Bezüge hergestellt habe. Ob Kindergeburtstag oder Geschenke zur Weihnachtszeit, wer in der DDR gelebt hat, ist um diese „Pötte“ einfach nicht herumgekommen. Zum Schluss wendet sich Platzeck noch einmal an die Journalisten. „Gibt es noch Fragen an die Kanzlerin zu Bollhagen?“ Als Antwort nur Schweigen. Nein, Fragen zu Bollhagen und der Kanzlerin hat hier niemand.

Dirk Becker

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