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Alina Pilz befasst sich in ihrer Masterarbeit mit dem Mirenhaus auf dem Kleinen Ravensberg.

© Andreas Klaer

Auf den Spuren der Mirenhäuschen: Alina Pilz erforscht die Hilfsgebäude des Potsdamer Helmertturms

Ohne die beiden Häuschen hätte die Landvermessung nicht funktioniert. Dennoch ist über sie wenig bekannt. Eine Berliner Studentin will das ändern.

Am Anfang steht ein gemütlicher Spaziergang durch den Wald. Es geht zwar immer bergauf. Aber die Steigung ist mäßig. Das Ziel der kleinen Wanderung: Ein verstecktes Häuschen in den Ravensbergen, im Süden Potsdams. Nach ein paar Hundert Metern durch den Wald gerät zunächst zwischen Baumstämmen, Laub und Zweigen der Feuerwachturm auf dem Kleinen Ravensberg in den Blick. Wenige Schritte weiter gelangt man zum Gipfelplateau, von dem aus Wanderer weit in die Landschaft schauen können. Doch warum in die Ferne schweifen?

Das Interessante liegt so nah. Denn wenige Meter unter der Bergkuppe des Kleinen Ravensberges, verwunschen im Wald, wird ein Häuschen sichtbar. Aus gelben Steinen gemauert, rote Ziegelbänder lockern die Fassade auf, Sprayer haben ihre Spuren großflächig an den Wänden hinterlassen. Der Vandalismus und wohl auch die Witterung haben dem Gebäude schwer zugesetzt. In einer Wand klafft ein Loch. Die außen angebrachte Metalltreppe ist völlig marode, im Innern des Baus liegt Schutt.

Das Mirenhaus auf dem Kleinen Ravensberg bildete den südlichen Punkt einer Achse, die „Observatorium für Winkelmessungen“ genannt wurde.
Das Mirenhaus auf dem Kleinen Ravensberg bildete den südlichen Punkt einer Achse, die „Observatorium für Winkelmessungen“ genannt wurde.

© Andreas Klaer

Mirenhäuschen diente der Geodäsie

Es ist das sogenannte Mirenhäuschen, das hier seit 130 Jahren im märkischen Wald am Stadtrand von Potsdam steht. Das Gebäude, das eher wie ein kleiner gedrungener Turm wirkt, diente einst der Geodäsie, der Ausmessung und Abbildung der Erdoberfläche. Es war Bestandteil eines Ensembles von drei, mehrere Kilometer voneinander entfernten Bauwerken.

1893
wurden die beiden Häuschen fertiggestellt.

Im Zentrum dieses Trios stand der Helmertturm auf dem Potsdamer Telegrafenberg. Zu Messzwecken hatte man am Observatorium für Winkelmessungen, einer Abteilung des Königlich Preußischen Geodätischen Instituts, Ende des 19. Jahrhunderts, sowohl den Helmertturm – der damals noch nicht so hieß – als auch zwei sogenannte Fernmiren (vom lateinischen mirus oder mira für „auffallend“) errichtet. Ohne die beiden weit entfernten Häuschen wäre der Turm damals gar nicht funktionsfähig gewesen.

Gebäude fristen ein Schattendasein

Eines der Mirenhäuser steht noch heute im Königswald bei Sacrow, das andere eben hier am Kleinen Ravensberg. Beide fristen bislang ein Schattendasein. „Es gibt keine eigenständige wissenschaftliche Publikation dazu“, sagt Alina Pilz. Die Studentin hat sich für ihre Masterarbeit im Studiengang „Historische Bauforschung und Denkmalpflege“ an der Technischen Universität Berlin die beiden Potsdamer Mirenhäuschen als Thema ausgesucht. „Bestimmt einen laufenden Meter Archivmaterial“ habe sie gesichtet, sagt die Belzigerin.

Es gibt keine eigenständige wissenschaftliche Publikation dazu.

Studentin Alina Pilz mit Blick auf die Mirenhäuser

Pilz hat die Gebäude genau vermessen. 3,27 mal 3,27 Meter ist die jeweilige Grundfläche der Zwillingsbauten, sieben Meter sind es bis zur Traufe. Für ihre Arbeit durfte die Studentin sogar, mit ihrer Ausrüstung im Auto, durch den Wald fahren. Insgesamt habe sie von den Häuschen weit über 1000 Fotos gemacht, sagt Pilz. „Diese habe ich in einem Programm zusammengerechnet und entzerrt“. Im Ergebnis der Arbeit seien die Gebäude nun genau kartiert.

Architekt des Häuschen war Paul Emanuel Spieker.
Architekt des Häuschen war Paul Emanuel Spieker.

© Andreas Klaer

Architekt der beiden 1893 fertiggestellten Häuschen war Paul Emanuel Spieker, der auch mehrere Gebäude auf dem Telegrafenberg entworfen hatte. Die Mirenhäuschen dienten der Winkelmessung, die man vom Helmertturm auf dem Telegrafenberg aus vornahm.

Die sogenannte Seitenrefraktion, also die seitliche Ablenkung eines Lichtstrahls, sollte dabei erforscht werden. In den Mirenhäuschen hatte man elektrische Lampen installiert. Zur Mire in den Ravensbergen wurde dafür vom Telegrafenberg aus extra eine Stromleitung verlegt, berichtet Pilz. Die Lampen konnten vom Helmertturm aus mit einem Messinstrument anvisiert werden.

Nach Zweitem Weltkrieg keine Messungen mehr

Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg führte man diese Messungen nicht mehr fort. Nach Angaben des Physikers Ludwig Grunwaldt erlebte das Mirenhäuschen in den Ravensbergen Ende der 1970er-Jahre noch einmal ein Comeback, als es für Lasermessungen reaktiviert wurde. Dafür seien sogar Bäume auf der Strecke zum Telegrafenberg gekappt worden, damit die Strahlen eine freie Bahn hatten.

Während das Mirenhäuschen im Königswald in einem brauchbaren baulichen Zustand ist, müsste das Pendant in den Ravensbergen erst einmal gründlich saniert werden. Dann könnte man es vielleicht als Rastplatz für Wanderer nutzen, sagt Pilz. Ein großes Problem dürfte bleiben: die Gefahr des Vandalismus.

Bald muss Alina Pilz ihre fast fertiggestellte Masterarbeit abgeben. Bis Ende August sucht sie noch nach Zeitzeugen, die etwas über den Zustand der Häuschen in den vergangenen Jahrzehnten wissen. Informationen nimmt Pilz gern unter mirenhaus@web.de entgegen.

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