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Kultur: 15 Jahre Netto

Toni Kruse feiert 15-Jähriges am Donnerstag im Lindenpark

In gemütliche Ledersofas gelümmelt, sitzt Bandleader Toni Kruse mit seinen Mannen und das Ganze sieht nach heiterer Männerrunde aus: Bierflaschen leeren sich, Kaffee wird hinterhergegossen – schließlich steht eine lange Bandprobe an – und alle lachen und reden durcheinander. Sting und Jimi Hendrix schauen auf die ganze Szenerie von ihren Postern herab und schmunzeln. Es soll der letzte Durchlauf für ihr Konzert am Donnerstag sein. „Ein besonderes Konzert“, wie sie versprechen. Als Gäste hat sich das Who-is-Who der Potsdamer Musikszene angekündigt: Unter anderem werden sich „The Clogs“, „Big Beat Boys“, „Orions“, „Galaxo“ und das „Trio Ungefähr“ im Laufe des Abends auf der Bühne zeigen.

Zum 15-jährigen Bandjubiläum hat man sich auch gleich ein paar Spitznamen zugelegt: an den Tasten Jens „Junker“ Titze, in die sechs Saiten schlägt Michael „Dil Bobsan“ Schulz, das Kruse-Küken Benni „Benson“ Brammer zupft den Bass und hinter dem Schlagzeug postiert sich Matthias „Funky Monkey“ Gwosdz. Bandleader Toni Kruse will sich aus gegebenem Anlass gleich selbst klonen, „aber mit mehr Haaren auf dem Kopf“, flachst er. Für ein bisschen Ordnung sorgt Eva-Maria Hess, das weibliche Kontrollorgan und viel mehr als nur die Background-Sängerin der Band. Sie versucht dem anwesenden Journalisten durch den Lach-Lärm ein paar vernünftige Informationen zuzustecken. Von ihr ist zu erfahren, dass das 15-jährige Jubiläum nur ein Netto-Wert ist. An das genaue Gründungsdatum kann sich eh keiner mehr erinnern. Auch Kruse selbst runzelt die Stirn. Gleich darauf bricht er in Gelächter aus, als er sich an sein damaliges Äußeres erinnert: „Schlauchhosen mit Karo-Muster, eine riesige Brille und Zöpfchen“. Später wird er ein altes CD-Cover seiner Band herauskramen. Es sieht wahrhaftig scheußlich aus. Dabei fällt ihm ein, dass beim Konzert auch alte, nicht mehr im Handel erhältliche CDs zu kaufen sein werden. „Tonis Resterampe" quasi. Für Sammler oder Fans, die sich das Cover mit dem End-Achtziger-Kruse gern über das Bett hängen möchten. Denn aus dieser Epoche findet man auch auf der Homepage (www.toni-kruse.de) kein belastendes Beweismaterial.

Nicht nur der Look, auch der Sound änderte sich mit der Zeit. So bedurfte es einer Generalüberholung des alten Kruse-Liedguts, das nun, frisch aufgemöbelt, kaum noch wiederzuerkennen ist. NDW-Songs drücken durch die Röhrenverstärker, dass „Major Tom“ mit Tinnitus im All zurückbleibt. Die eigenen Kruse-Songs im Repertoire hingegen lassen erschreckend tief in die Seele des Rockers blicken.

In der aktuellen Bandformation stimmt die Dynamik. „Der Spaß am Musikmachen ist zurück“, freut sich der Bandleader. Zudem entfällt die Belastung durch das ständige Doppelbooking mit „The Clogs“ – schließlich spielte noch vor ein paar Jahren die halbe Clogs-Band bei Kruse. Jetzt weht frischer Wind, der auch im Proberaum zu spüren ist. Locker aber konzentriert ackert man sich durch das nach eigenen Angaben schwerste Stück des Live-Sets: „Das meiste Medley der Welt“ wird es intern genannt und vereint eigentlich Unvereinbares: eine Rammstein-Melodie erklingt, ein Falco-Text legt sich über ein Led-Zeppelin-Riff, es wird bewiesen, dass Pur nicht zwangsläufig peinlich klingen muss und dieser wilde Mix kulminiert in einer wunderbaren U2-Orgie. Wer beim Konzert alle verwursteten Songs zusammenbekommt, auf den wartet Champagner. Das Angebot der Band steht. Ein Toni-Kruse-Konzert kann nicht von vorn bis hinten durchgeplant und organisiert sein. Das kontrollierte Chaos ist wesentlicher Bestandteil ihrer Gigs. Dabei gilt besonders der Sänger unter seinen Bandkollegen auf der Bühne als unberechenbar: Da werden schon mal eine Strophe ausgelassen, Texte spontan verändert oder Lieder angestimmt, die gar nicht auf der Setlist stehen. Kein routiniertes Abgeklapper alter Mechanismen, sondern die Freude am Live-Spielen steht im Mittelpunkt.Wer eine Einladung besitzt, kommt am Donnerstag übrigens umsonst ins Konzert. Augen auf – die blauen Flyer liegen in Potsdamer Bars und Clubs aus. Christoph Henkel

„Toni Kruse“ am 13. April im Lindenpark. Einlass ab 20 Uhr.

Christoph Henkel

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