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Ein gekonnter Balztanz ist in Sachen Liebe schon die halbe Miete. Andrea Meissner und Helmut Fensch durchspielen in „Mann und Frau intim“ alle möglichen Formen von Beziehungen und lassen es dabei auch hart aufeinander knallen.

© Manfred Thomas

Kultur: „Aber sie wollte halbe Zwiebelringe“

Die Kabarettisten Andrea Meissner und Helmut Fensch erzählen die nackte Wahrheit über ihr Programm „Mann und Frau intim“

Frau Meissner, Herr Fensch, wie nah kommen Sie sich in Ihrem Programm?

Helmut Fensch: Die Distanz ist ziemlich groß.

Andrea Meissner: Trotzdem wird viel gestöhnt.

Fensch: Weil wir uns ständig Gefechte liefern.

Also nichts mit „Mann und Frau intim“, wie der Titel suggeriert?

Fensch: Wir nähern uns rein wissenschaftlich dem Thema, schließlich ist Andrea die Dozentin einer Sexualberatungs-GmbH und ich diene ihr als wissenschaftlicher Assistent. Manchmal rutschen wir allerdings auch ins Private ab und kommen uns ein bisschen näher. Aber wir finden schnell wieder zurück auf die Arbeitsebene. Ich werde jedenfalls nicht handgreiflich. Wie schnell heißt es sonst: sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

Warum dann dieser Titel: „Mann und Frau intim“?

Meissner: Der stammt von dem berühmten Aufklärungsbuch von Siegfried Schnabl, das in der DDR in 21 Auflagen erschienen ist. Es wurde im Greifenverlag Rudolstadt, im Verlag meiner Heimatstadt, verlegt und nicht im eigentlich dafür zuständigen Verlag Frau und Gesundheit. Der hatte das abgelehnt. Ich habe mir schon als kleines Mädchen meine Nase an der Schaufensterscheibe platt gedrückt und auf das Buch geschielt und gewusst, dass ich mich damit noch mal richtig auseinandersetzen werde. Und dann rief mich Helmut an und fragte: Andrea, möchtest du nicht mit mir über dieses Buch auf der Bühne reden? Und da es mein Lieblingsbuch ist, bin ich jetzt hier.

Was hat Ihnen denn dieses Buch offenbart?

Fensch: Alle Formen und Praktiken des Sex, und dass es keine Tabus gibt. Ja, und dass der Sex in der DDR besser war als im Westen.

Aber Herr Schnabl hat doch nicht in die West-Schlafzimmer geschaut.

Meissner: Nein, aber er hat den Sex in der DDR als das natürlichste der Welt beschrieben.

Fensch: Warum wir mehr und besseren Sex hatten, ist sicher nicht so leicht zu beantworten. Ich glaube, weil wir nicht so belastet mit Leistungsanforderungen waren wie die Westdeutschen. Die Frau war wirtschaftlich unabhängig und hat sich die Männer genommen, wie sie wollte.

Das Gesellschaftssystem spielt also auch im Sex eine Rolle?

Fensch: Ich glaube schon, dieser Leistungsdruck schlägt sich auch da nieder. Der Mann muss allzeit bereit sein: Er muss der Beste, der Stärkste, der Schönste sein und nach drei Minuten seinen Höhepunkt erreichen. Eine ganze Industrie steht dahinter und schürt diesen Druck mit Plakaten, Büchern, Pornos.

Meissner: Es gibt heute auch diesen Aschenputtelreflex. Du suchst als Frau einen Partner, der dich umsorgt. Das war in DDR nicht so.

Ein Vortrag über Sex und Gesellschaft – das hört sich alles ziemlich trocken an.

Fensch: Na ja, wir kommen ja eigentlich auch nicht dazu, diesen Vortrag zu halten, einfach weil sich immer wieder neue Konflikte aufmachen und sich Dinge dazwischen drängen. Wie das Zwiebelschälen.

Sie schälen auf der Bühne Zwiebeln?

Fensch: Ja, ich spiele in einer meiner vielen Rollen, in die ich an dem Abend so schlüpfe, auch den Ehegatten. Brav frage ich da meine Frau, wie ich denn die Zwiebeln schneiden soll: als Ringe oder in Würfeln? Und am Ende ist es doch alles falsch, denn sie wollte halbe Ringe. In diesem kleinen Zwiebeldrama werden über 30 Ehejahre abgehandelt.

Meissner: Ich bin als Sexualkundlerin 32 Jahre mehr oder wenig glücklich verheiratet. Nun will ich übers Internet neue Erfahrungen suchen. Ich muss mich mal abtesten und ausleben, schließlich habe ich viele Spielmöglichkeiten als Frau. Am Ende des Abends sieht man indes, dass die anfangs so taffe Frau ein kleines Würstchen ist, die nicht mehr angefasst wird von ihrem Mann und sich eigentlich nur nach ein bisschen Zärtlichkeit sehnt.

Warum muss man denn im Internet surfen, um jemanden kennenzulernen? Funktioniert das Live-Flirten nicht mehr?

Fensch: Da ist die Angst vor Nähe. Jeder will alles verdecken. Und viele haben auch Komplexe, eine gewisse Furcht, es körperlich wirklich zu tun, was sie tausendmal irgendwo gelesen und gesehen haben. Dann kommen die Versagensängste unterschwellig dazu. Anonym kann man sich erst einmal idealisieren. In dem Moment, wo sie ihrem Internetflirt dann gegenüberstehen, bricht meistens alles wieder zusammen. Meine Söhne, die so um die 30 sind, bestätigen mir, wie schwierig es ist, jemanden kennenzulernen. Sie beneiden mich um die einfache Form des Tanzabends, den ich als Jugendlicher erlebte: Wo du eine Frau einfach zum Tanz auffordern und sie im Arm halten konntest.

Meissner: Bei mir hat es eine Woche gedauert, bis ich meinen Mann kennengelernt habe. Seine Anmache würde heute als Belästigung am Arbeitsplatz gelten.

Hätte es zu DDR-Zeiten Internet gegeben, wären sicher auch viele auf diesen digitalisierten Singlemarkt gegangen.

Fensch: Sicher. Es ist ja auch ein Spiel, ein Markttest.

Erobern, ohne sich binden zu müssen.

Fensch: Diese Bindungsangst ist auch eine wirtschaftliche Angst. Man muss eben einen Job haben, wenn man sich Wohnung, Partner und Kind leisten will.

Es ist also ein Rundumschlag zum Thema Sex und Gesellschaft, den Sie auf die Bühne bringen.

Meissner: Es geht nicht nur um Sex ab 49, es wird über viele Figuren erzählt. Ich schlüpfe allein in etwa zehn Rollen, bin die Hausfrau, die ganz Naive, das kleine Sexmonster, dann die Frau aus der Unterschicht. Die Brüche sind wirklich geil: Erst bin ich HartzIV, dann die Überspannte aus der Zwiebelszene. Hier knallen Varianten der zwischenmenschlichen Beziehungen hart aufeinander.

Und Sie selbst könnten ja auch unterschiedlicher nicht sein.

Fensch: Diese Unterschiede wollen wir auch nicht verstecken. Andrea ist die Ulknudel, ich bin der analytische Kerl.

Meissner: Für mich ist das konzentrierte Arbeiten sehr schwierig. In meinem Soloprogrammen habe ich alle Freiheiten der Welt, kann machen was ich will und muss nur auf meinen Bauch hören. Jetzt müssen wir aufeinander hören. Manchmal hörst du aber den anderen nicht, weil du mit dir selbst beschäftigt bist.

Und Sie müssen sicher aufpassen, den anderen nicht an die Wand zu spielen.

Fensch: Ich agiere ja sonst eher in der zweiter Reihe. Und nun stehe ich vorn, gleichberechtigt: der ruhige Norddeutsche mit der durchgeknallten Thüringerin ...

Meissner: ... die Schlagertussi mit dem Rock’n’Roller. Das macht einfach Spaß.

Das Gespräch führte Heidi Jäger

Premiere am Freitag, 25. Januar, 19.30 Uhr, Kabarett Obelisk, Charlottenstraße 31

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