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Kultur: Adrenalinkick mit Reger

„Generalprobe“ eines Orgelprüflings in spe in der Friedenskirche Sanssouci

„Generalprobe“ eines Orgelprüflings in spe in der Friedenskirche Sanssouci Mit diesem pfingstsonntäglichen Orgelkonzert in der Friedenskirche im Rahmen der "Sommermusik"-Reihe absolviert Christian Grosch seinen ersten öffentlichen Auftritt. Dieser ist zugleich gleichsam die Generalprobe für seine bevorstehende kirchenmusikalische A-Prüfung. Da er an der evangelischen Hochschule für Kirchenmusik in Halle/S. studiert, u. a. künstlerisches Orgelspiel bei Matthias Jacob (!), findet sie in der dortigen Marktkirche statt. Der Adrenalinausstoß bei der Potsdamer Konzertpremiere ist notabene groß, beim Schüler genauso wie beim Lehrer. Zunächst tönen schnarrende Klänge von der Empore herab, um alsbald abrupt zu enden. Hat der Organist etwa die falsche Taste der Programmierung erwischt? Neuer Anlauf, und nun kann das Praeludium d-Moll des Lüneburger Barockmeisters Georg Böhm (1661-1733) ungehindert seine Reize entfalten. Allerdings geht der Organist dabei kein unnötiges Risiko ein: er ist auf artikulatorische Sicherheit bedacht, spielt mitunter ziemlich schülerhaft. Dann verpasst er sich und den zahlreich erschienenen Hörern ein stilistisches Wechselbad, indem er sich der mehrsätzigen und -gliedrigen Fantasie für Orgel (1981) von Harald Genzmer (geb. 1909) annimmt. Blockhaftes steht neben verspielter Melodielinie, Toccartenartiges - im vollen Orgelwerk sich ausbreitend - kontrastiert mit filigranen Linien im Diskant und Pedal. Der Einsatz des Tremulanten verleiht dem Andante tranquillo etwas Schwebendes, das gleichmäßig im Metrum fortschreitet. Im Finale gibt es einen trillerreichen, pointiert ausgespielten Manualtanz zu bewundern. Allmählich gewinnt Christian Groschs Spiel an Souveränität im Umgang mit dem Instrument und den Noten. Die von Johann Sebastian Bach (Triosonate d-Moll BWV 527) gehören zweifellos zur Prüfungspflicht. Der Prüfling in spe trägt das von heiteren, fast fröhlichen Stimmungen geprägte Stück sehr lebendig und gelöst vor. Mätzchen bei der Registrierung meidet er. Stattdessen orientiert er sich auf einen flötenlieblichen, silbrig perlenden Klang. Leider vermag er dem Adagio e dolce (noch) nicht die erforderliche Süße und Empfindungstiefe zu verleihen. Rhythmisch sattelfest, eilt das hell getönte Vivace vorüber. Dann steht Max Reger (1873-1916) mit seiner Phantasie über den Choral „Wie schön leucht'' uns der Morgenstern“ op. 40 Nr. 1 auf dem Programm, sicherlich nicht ohne drängendes Zutun des Lehrers dorthin gelangt. Eine Bewährungsprobe steht an. Wie befreit greift Christian Grosch ins volle Orgelwerk, um die klangopulente Einleitung gebührend wirken zu lassen. Zuvor wird Interessierten das evangelische Gesangbuch ausgehändigt, damit sie den entsprechenden Liedtext mitlesen können. Eine aufmerksame Geste, die dem Verständnis für das Komponierte sehr förderlich ist. Nachdem der Rausch des Entrees für volle Aufmerksamkeit gesorgt hat, tönt es nun textgemäß „lieblich, freundlich, schön und herrlich, groß und ehrlich“ (Vers 1 bis 3). Groschs nachvollziehbares Spiel ist gut gegliedert, steigert und ermattet sich wohlgeordnet. „Zwingt die Saiten in Cythara“, heißt es in Vers 4, "und laßt die süße Musika ganz freudenreich erschallen". So hört man es denn auch. Dann wird es (Vers 6/Fuge) erhaben: „Singet, springet, jubilieret, triumphieret, dankt dem Herren“. Der Organist gibt sich viel Mühe, läßt die Orgel in allen Werken rauschen; er schont die Principale nicht und auch kein Pedal. Der Beifall sollte ihm Mut für den Weg zur Prüfungsstätte geben.Peter Buske

Peter Buske

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