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Kultur: Afghaninnen sind noch immer ohne Rechte

Judith Huber las in Sputnik-Buchhandlung

Judith Huber las in Sputnik-Buchhandlung Für eine Schwangere ist Afghanistan der gefährlichste Ort der Welt. Pro Jahr sterben dort eine halbe Millionen Frauen während der Schwangerschaft oder bei der Geburt. Die Schweizerin Judith Huber fuhr in das durch den US-amerikanischen Krieg gegen die Taliban ins weltpolitische Bewusstsein gerückte Land, um vor Ort zu erfahren, warum trotz einer neuen Regierung die Berichte von Organisationen wie amnesty international nicht positiver ausfallen. Eine Rechtfertigung für den Krieg war immer wieder der Verweis auf die Situation der afghanischen Frauen. Zum Symbol ihrer Unterdrückung avancierte die Burka, jenes Kleidungsstück, das den ganzen Körper und sogar das Gesicht verhüllt. Seit die neue Regierung die Frauenrechtskonvention ratifizierte und entsprechende Gesetze erließ, verblasste das internationale Interesse an den Lebensbedingungen afghanischer Frauen, die nun scheinbar demokratischen Verhältnissen entsprechen. Im Herbst 2002 sprach Judith Huber mit bekannten Frauenrechtlerinnen, wie der geachteten Rechtsberaterin und derzeitigen Staatsministerin für Frauenfragen, Mahbuba Hoquqmal. In ihrem Buch „Risse im Patriachat" (erschienen im Rotbuchverlag 2003), welches sie in der Sputnikbuchhandlung Potsdam vorstellte, porträtiert sie drei aktive Frauenpolitikerinnen, stellt den historischen Hintergrund dar und deckt vor allem die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse auf. Durch ihren Reportagestil, der einen subjektiven Blick nicht verleugnet, werden die Zustände und Zwänge, denen afghanischer Frauen ausgeliefert sind, nachvollziehbar. Das Fazit der Journalistin ist bitter: Die Entmachtung der Taliban hat an der Situation der Frauen nichts geändert. Die wenigen Frauen in wichtigen Positionen können weder an der Realität, dass über 95 Prozent der Afghaninnen Analphabetinnen sind, wirklich etwas ändern, noch an der Tatsache, dass der Wirkungsbereich der Regierung kaum über die Stadtgrenzen Kabuls hinausreichen. Nach wie vor beherrschen die militanten so genannten Warlords das Land und terrorisieren die Bevölkerung. Die USA, die nach wie vor Talibankämpfer jagt, unterstützte schon vor dem Einmarsch der Roten Armee militärisch die Mudschaheddin, obwohl diese für ihre Frauenfeindlichkeit bekannt sind. Nach wie vor gelten sie als Verbündete der USA. Während der Herrschaft der Taliban war es Frauen strikt verboten, das Haus zu verlassen, heute wagen sie sich aus Angst vor nächtlichen Übergriffen nicht in die Öffentlichkeit. Immer wieder werden Mädchenschulen nieder gebrannt, weil sie eine, so die hinterlassenen Drohbriefe, Werkzeuge westlicher Mächte zur Förderung von moralischer Unzucht seien. Solange der Bewegungsspielraum von Frauen defacto so stark eingeschränkt ist, so die Einschätzung von Judith Huber, ist auch politisches Handeln schwer möglich. Eindrücklich zeigte die Journalistin bei ihrer Potsdamer Lesung und im anschließenden Gespräch die Konsequenzen des tief in der Gesellschaft verwurzelten Patriachts auf. Frauen, die sich gegen Zwangsverheiratung oder Gewalt wehren wollen, sind nach wie vor rechtlos. Für Frauenprojekte bleibt angesichts dieser Situation wenig Raum. Lediglich pragmatische Hilfestellungen sind möglich. So händigen Helferinnen eines Hebammen-Projektes von Terre des hommes schwangeren Frauen ein Geburtsset, bestehend aus einer Gummidecke und stärkenden Präparaten, aus. Es soll den Gebärenden helfen, die Geburt zu überstehen, da sie in den wenigsten Fällen die Chance haben, in einem Krankenhaus zu entbinden. Zum einen mangelt es an weiblichen Gesundheitspersonal, zum anderen an finanziellen Mitteln, um eine medizinische Behandlung bezahlen zu können. Nicht wenige Männer verbieten ihren Frauen nach wie vor, das Haus zu verlassen, auch nicht in Notfällen. Kein Wunder, dass sich ein Mädchen, wie die 15-jährige Adelah, die seit zehn Jahren an Depressionen leidet, in der von einer engagierten Psychologin geführten Psychiatrie geborgener fühlt, als in ihrem Dorf.Lene Zade

Lene Zade

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