zum Hauptinhalt

Kultur: Akrobatisches Theater ohne Höhenangst

Die Klasse 9 der Montessorischule Potsdam zeigte „Der Ritter aus Langeweile“

Die Klasse 9 der Montessorischule Potsdam zeigte „Der Ritter aus Langeweile“ Für die Schüler der Montessorischule wurde es für wenige Tage zum Magnet – das blauweiße Zirkuszelt auf dem Schulhof. Ein Stück mit dem Titel „Der Ritter aus Langeweile“ war auf den von Schülern der 9a entworfenen Plakaten angekündigt. Mit vier Vorstellungen sollte das dreiwöchige Theater-Projekt ausklingen. Man war gespannt auf das Ergebnis, denn immerhin hatte es im Januar schon ein Projekt für interessierte Schüler aus den achten Klassen gegeben, nämlich „Loser“. Ganz anders als mit dem jetzigen Zelt wurde damals in der noch recht kühlen Jahreszeit dennoch mit ungewöhnlichen Schauplätzen gearbeitet: mit dem Schulboden und dem Keller. „Loser“ hatte die Schule in Atem gehalten, hatten doch die Darstellerinnen durch gekonnte Darbietungen aufhorchen lassen. Die gesamte Projektleitung lag in den Händen von Armin Beber, den die Schüler nur beim Vornamen nannten. Nun, drei Monate später, war Armin, Student der Theaterwissenschaften, nochmals engagiert worden, diesmal für eine ganze Klasse 9. Die Lehrer der Montessorischule sahen dem Projekt voller Zuversicht entgegen: „Das schweißt die Klasse unheimlich zusammen“, wussten Lehrer aus Erfahrung. Man war gespannt, was die Klasse darbieten würde. Sogar an den Wochenenden war geprobt worden, die ersten zwei Wochen hatte es ausschließlich Akrobatik gegeben. Und nun Theater? Mit einem Titel, der märchenhaft klingt und gleichzeitig Neugierde weckt. So ließen sich die Gäste ins Zirkuszelt locken. Die im Titel angekündigte Langeweile kam nicht auf: von Anfang bis Ende wurde in dem Stück der Spannungsbogen gehalten. Der Ritter aus Langeweile ( Moritz Winterfeld) war ein Schüler, der alles langweilig fand und Anregung bei seinem Freund (Justus Hoch) suchte. Dieser pfiffige und belesene Bursche machte dem Nörgler schnell klar, dass der sich Langweilende zuerst einmal aktiv werden müsse. Und zwar mit der einfachsten menschlichen Gabe – mit seiner Fantasie. Mit einem herumliegenden Stock zeigte er seinem Freund, wie man spielerisch daraus einen Presslufthammer und ein Ritterschwert machen kann. Und der Ritter war geboren, jedenfalls in der Fantasie der Jugendlichen. Nun galt es, der Ritterehre gerecht zu werden und Bedürftige zu schützen. Schlag auf Schlag kamen die Früchte der Akrobatikstunden zum Vorschein: eine jugendliche Gang wurde vertrieben, damit ein Schutz suchender Junge entkommen konnte. Sprünge, Schläge, Bodenkämpfe – alles wirkte gekonnt und authentisch. So auch die Szenen mit den verschiedenen Mädchen, die zum Thema des Ritters werden sollten – er sollte sich verlieben. Das war gar nicht so einfach, denn manches Mädchen ( Miriam Sandt ) will erobert sein und sitzt auf hohem Ross. Im Stück war es eine Leiter. Manches Mädchen ist von seiner Wirkung so überzeugt, dass es stimmgewaltig alle im Griff hat (Grete-Rahel Eschrich) mit „Another one bites the duste“ von Queen. A capella faszinierte die eifrige Chorsängerin mit Text- und Stimmsicherheit, aber auch mit natürlich wirkender Choreographie. Das schien auch das Geheimnis der Inszenierung zu sein – nichts wirkte überzogen oder hölzern. Die Jugendlichen blieben wie sie sind: natürlich und witzig, sportlich, teilweise vor Lust am Ausprobieren strotzend. So bewegten sich manche schon wie große Schauspieler ( Lydia Netzband). Bei allem war von Lampenfieber keine Spur – eher von einem fiebrigen Publikum, was auf das nächste Abenteuer des Ritters wartete. Der musste u.a. durch einen Fluss waten, den Schutzbedürftigen tragen. Der rauschende Fluss wurde von am Boden liegenden Schülern, die paarweise zwei Stöcke bewegten, dargestellt. Blaues Licht wurde durch Leuchtfarbe an den Stöcken erzeugt. Auch von den Mädchen gab es einige. Hier überraschte zunächst eine Figur mit einem Monolog, der aufhorchen ließ, denn die Sprecherin ist französische Austauschschülerin. Fließend, mit „ganz wenig Akzent“, meinten die kritischen Beobachter. Allerdings wollte ein anderes Mädchen, verführerisch in Jeans und Korsage, mit wehendem Haar, nicht nur erobert werden. Der lockere Ritter sprang sofort auf ihre Aufforderung „Tanzen wir ?“ an. Er tanzte mal Rap, mal Breakdance mit gewagten Partien auf einer Hand. Seine Bewegungen gaben nicht nur sein Talent preis, vielmehr schwebte über allem etwas ganz Selbstverständliches. Und so wunderte sich am Schluss auch keiner darüber, dass der Verliebte plötzlich tatsächlich schwebte, natürlich auf Wolken. Und träumte, wovon ein Pubertierender eben träumt. Nein, nicht vom Computer, nicht vom Motorrad, vom Handy schon gar nicht, auch nicht gleich von Sex. Ganz normal einen Kuss, einen Kuss von ihr, endlich ... Der Schwebende wurde mit Riesenbeifall von den jubelnden „Montis“ belohnt, großes Erstaunen gab es über das ansprechende Stück und vor allem wohl über bisher verborgen gebliebene Fähigkeiten und Talente. Martina Kruse

Martina Kruse

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false