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Kultur: Allo, allo, Walalla

Ein ungewöhnlicher Theatermix: Country-französischer HotPot im Walhalla

Die Videoleinwände und Flatscreen-Bildschirme dröhnen von drinnen und draußen, dichte Bratwurstschwaden treiben durch das Varieté Walhalla. Schwer, sich von der augenblicklich so starken neodeutschen Stimmung zu lösen, um in das Gemisch aus Amerika und Frankreich des HotPot-Abends einzutauchen. Ein selbstvergewissernder Blick durch die Scheiben nach draußen, wo trotz Unwetters Angola gegen Mexiko kämpft. Drinnen im Varietéraum stricken sich die Drei auf der Bühne im Westernlook – Alexandra Röhrer, Jule Stephan und Andreas Erfurth – gerade eine hahnebüchende Legende, die zur Einbettung der Liedchen und eingespielten Videos nötig ist. „Mamân und Dadie“ – sie liebesgewogene Französin mit Sinn für Kulinarisches, er wortkarger GI – hätten sich im Lavendelfeld zusammengetan. Nun stehen sie hier, vor reichlich vierzig Gästen, Bonnie-Lee, Frankie-Lee und Lizzy-Lee, reden Deutsch mit ulkigem, französischen Akzent, bei dem jedes H bekanntlich auf der Strecke bleibt, und legen reichlich klamottig los.

Die Amalgamierung von Country-Versatzstücken mit den sattsam bekannten Frankreich-Klischées ist ungewöhnlich genug, zumal sich auch brandenburgische Behäbigkeit auf der knapp geschnittenen Bühne zeigt. Erkennbar in dem kleinen parodistischen Filmchen zur Einstimmung. Die Westernstimmung gerät schon ins Wanken, als den coolen Revolverhelden eine reichlich künstliche Fliege umkreist. Sie bricht gänzlich zusammen, als dann ein neuzeitlicher roter Regioshuttle einfährt. Im anschließenden Showdown werden den Cowboys, die in langen Ranchermänteln ins nasse Brandenburger Gras beißen, schließlich Original-Western-Dialoge in den Mund gelegt. Die Kreuzung zweier oder – mit Deutsch – sogar dreier Liedkulturen führt z.B. zur Version des Schulklassenevergreens Frère Jacques in der zackigen Version der US-Marines, immer angereichert mit trashig-liebevollen Abwegigkeiten. Das Baguette wie ein Gewehr auf der Schulter beim Exerzieren wird kurzerhand zum Degen der Musketiere. Jule Stephan, die Opernröhre der Kult-Band 44Leningrad, bringt klanglich Volumen in die Gesangsvorträge. Alexandra Röhrer trägt in ihren Stücken Tiefe als Verletzlichkeit in den eigentlich so heiteren Abend. Nancy Sinatras „These Boots are Made for Walking“ singt sie ganz ohne die hervorragende Begleitung durch Michael Hadrisch an der Gitarre und Silvio Hoppe am Schlagzeug. Einzig ihr trotziges, schleppendes Fußstampfen gibt den Takt vor. Röhrer, von Natur keine Callas, macht durch ihre gespielte Aggression und den nöhligen Ton sehr glaubhaft, wozu sie fähig wäre. Über den Ex-Lover mit Stiefeln zu laufen, zum Beispiel.

Die Live-Synchronisation einer Bonanza-Folge, in der der dicke Hoss alles und jeden nur immer „einäschern“ möchte, zeigte, dass viele der zahlreichen Bezüge des Abends in die eigene Kindheitserinnerung zurückführen. Auch, wie Erfurths Winnetou, nun wieder mit der Stimme des Original TV-Films, partout nicht sterben wollte, öffnete die mentalen Bildarchive des Publikums und wurde mit Lachen abgerufen. Die amüsierten Zuschauer wurden aus dem ungewöhnlichen und überraschender Theatermix entlassen, nachdem sie noch bereitwillig einen Squaredance Blitzkurs absolvierten. Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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