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Kultur: Ansichten eines Organisten Graham Barber spielte

in der Friedenskirche

Es scheint sich wieder einzubürgern, dass Organisten vor ihren Orgelsommer-Auftritten dem Publikum einige Erläuterungen zum Programm geben. So auch der Brite Graham Barber, der bei seiner Vier-Länder-Reise am Mittwoch für ein Konzert in die Friedenskirche gekommen war. So erfuhr das zahlreich erschienene Publikum aus erster Hand, dass mit C. Hubert H. Perry „in England die lange Zeit der musikalischen Dürre zwischen Henry Purcell und Sir Edward Elgar nun endlich vorbei“ sei.

Jener Perry (1848-1918) entstammte der vermögenden englischen Oberschicht, seine musikalische Bildung erhielt er an der St. Georg‘s Chapel in Windsor, und noch während der Schulzeit erhielt er den Bachelor für Musik in Oxford. Von ihm nun erklang das Choralprelude „O God, our help in ages past“, ein in erhabenen Klängen virtuos daherschreitendes Stück, erfüllt von imperial-victorianischem Zeitgeist. Romantisch eingefärbt, erreicht es, sich langsam steigernd, klangstrahlende Himmelshöhen.

Danach führte die Bildungsreise auf den Kontinent und ins sächsische Musikzentrum – nach Leipzig. Hier wirkte Sigfrid Karg-Elert (1877-1933), auf dessen impressionistischen Seite am Mittwochabend der Fokus lag. „Clair de Lune“ ist eine verschwimmend schillernde Betrachtung über das Mondlicht mit seinen Einflüssen auf die menschliche Seele. Stimmungsmalerei also, genauso wie das „Rondo alla Campagnella“, eine motorische Glöckchenspielerei der eher etwas jahrmarktmusikalischen Art. Ein Stück wie geschaffen für ein Orchestrion mit seiner gestanzten Metallplattenkonserve. Von ganz anderem Kaliber dagegen Toccata und Fuge F-Dur BWV 540 von Johann Sebastian Bach. Der Doppelpack sei „nicht nur lang, sondern absolut inspiriert“, so der Organist. Und so spielte er ihn auch: gradlinig und gediegen, voluminös, in einheitlichem Metrum, lebendig und strukturerhellend, ganz ohne Registrierungsmätzchen, mit warmen Stimmfarben. Graham Barber betonte die Erhabenheit des Opus, brachte den Pedalmonolog genauso zu großer Wirkung wie die vierstimmige Doppelfuge. Deren kontrapunktische Verwicklungen mäanderten auf lustvollste Weise durch den Polyphonie-Garten.

Dann wurde das Publikum an den Musikminimalist Ad Wammes, geboren 1953, herangeführt, der mit seinem „Miroir“ für reflexionsartige Klangeffekte sorgte. Graham Barber tupfte sie filigran und pointiert wie Regentropfen in den Raum, ließ dabei aber auch Klangsinnliches nicht zu kurz kommen. Und irgendwann hörte das perpetuummobile-artige Geschehen abrupt auf. Weiter ging es – zumindest musikalisch – nach Frankreich. Von Charles-Marie Widor (1844-1937) spielte Graham Barber den 1. Satz aus der 5. Orgelsymphonie f-Moll: rhythmisch pointiert und von fast kammermusikalischem Zuschnitt. Der Organist ließ gleichsam einen facettenreichen Orchesterklang voller Heiterkeit und tokkatischer Verve entstehen, mündend in ein hymnisches, im vollen Orgelwerk aufrauschendes Finale. Zum Abschluss noch einen Abstecher zu André Fleury (1903-1995). Sein „Prélude, Andante et Toccata“ forderte zu unterschiedlichsten Klangfarben heraus, wozu nasale, fagottschnarrende Register genauso beitrugen wie Prinzipalstimmen. Au revoir und bye-bye. Peter Buske

Peter Buske

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