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Unter Glas: In der Ausstellung befinden sich Schaukästen mit allerlei Käfergetier.

© Manfred Thomas

Von Almut Andreae: Auf den Käfer gekommen

Das Universum des Jan Beumelburg in der Galerie Art Market

Keine Frage: Jan Beumelburg will es ganz genau wissen. Und weil das so ist, sind seiner Vorstellungskraft, wie es seine aktuelle Ausstellung in Potsdam einmal mehr unter Beweis stellt, keine Grenzen gesetzt. Nichts, was nicht vorstellbar wäre, kein Gedanke, der nicht gedacht werden könnte. Bei Beumelburg hängt irgendwie alles, was er zum Vorschein bringt, miteinander zusammen, scheint auf wundersame Weise miteinander verwandt.

In der Potsdamer Galerie Art Market gibt der in Brandenburg lebende Künstler momentan ein Gastspiel, das zu sehen sich überaus lohnt. Schon beim Übertreten der Türschwelle befindet sich der Ausstellungsbesucher unversehens in einer anderen Welt. Wo das Auge hinsieht, breiten sich dicht an dicht Schaukästen, Karten, Objekte, Zeichnungen und Collagen aus. Eine Wand ist gar für eine Schausammlung mit allerlei Käfergetier reserviert. Naturkundliches, museal präsentiert, steht ja derzeit hoch im Kurs. Beumelburgs Faszination für die Käfer ist jedoch schon seit vielen Jahren virulent. Jan Beumelburg hat die Geschöpfe kategorisiert und adrett unter Glas in Schubladen aufgereiht. Jene Käfer, deren Korpus aus Haarbürsten besteht, unterscheiden sich naturgemäß von solchen, wo die Karosserie eines Matchboxautos, Rindenstücke, Haushaltsschwämme, kleine Pelzstücke, die Form eines Schuhanziehers oder eines Rasierpinsels die Formgebung des Rumpfes bestimmen.

Jan Beumelburg ist ein Sammler. All die Alltagsdinge, aus denen außer Krabbeltieren noch ganz andere erstaunliche Dinge kreiert, hortet der Allrounder und Generalist in seiner ständig wachsenden Sammlung. Atelier und Depot bilden den geistigen und materiellen Fundus, aus dem Beumelburg seine Schöpfungen generiert. Kräftig gewürzt und mehrdeutig abgeschmeckt mit Sprachwitz, Humor und Hintersinn schüttelt der Gründer des 1998 etablierten Verwandlungsamts – Amt für Kunst und Wandel – immer neue Ideen aus dem Füllhorn seiner Fantasie.

Der 1965 in Niedersachsen geborene Künstler stellt seine von Darwins Evolutionstheorie inspirierten Erkundungen möglicher Metamorphosen facettenreich zur Schau. Ausgewählte Exponate aus seiner Sammlung „Enzyklopädie“ hat Beumelburg, einer ausgeklügelten inneren Dramaturgie folgend, unter dem Ausstellungstitel „Der Evolution ist höflich aber bestimmt entgegenzutreten!“ minutiös inszeniert. Dem pädagogischen Duktus musealer Schautafeln und Präsentationen folgend untersucht er mit naturwissenschaftlichem Forscherdrang im Rahmen seiner Serie „Das Buch im alchemistischen Selbstversuch“ den „Buchhochdruck“, die „Bildungslücke als Endlagerstätte geistiger Verdunstung“, ja vollzieht sogar „Eingriffe am offenen Buch“.

Gerade bei dieser Serie zeigt sich Beumelburgs Talent, sprachliche Formulierungen in neue Richtungen weiterzudenken, auf die Spitze zu treiben und auf diese Weise Gedankenräume zu öffnen, die einer inneren Logik folgen und gleichzeitig kokettieren mit der Absurdität. Es bereitet großes intellektuelles Vergnügen, sich auf diese Lust am Fabulieren, am Durchspielen immer neuer Möglichkeiten und Kombinationen einzulassen.

Ein knapp unter der Zimmerdecke hängender Leitz-Ordner dreht den Spieß einfach mal um: „Bringen Sie endlich wieder Leben in Ihre Ordnung!“, lautet in diesem Fall der launige Appell. Die innere Ordnung wird bei allem Übermut und Formenreichtum zum eigentlichen Dreh- und Angelpunkt. Das zeigt sich in der kartografischen Darstellung „In der Tischlerei“ genauso wie in dem großformatigen Bilderrätsel, in den exquisiten Enzyklopädischen Zeichnungen auf Silikonpapier wie in besagter Käferreihung. Letzterer hat Beumelburg gleich mehrere Hefte seiner selbstverlegten Edition gewidmet.

Die in derselben Edition erschienenen Grimmschen Märchen, vom Künstler selbstredend revidiert und optisch unkonventionell aufgepeppt, gingen im Weihnachtsgeschäft weg wie warme Semmeln. Zu durchaus erschwinglichen Preisen ist jedoch in der reich bestückten Ausstellung noch immer eine große Auswahl an Objekten und Papierarbeiten zu haben. Zu empfehlen sind hier neben den großformatigen Handzeichnungen auf Silikonpapier von 2006 die im letzten Jahr entstandenen Collagen aus der Serie „Hausfriedens(aus)bruch“. In erlesenen Kompositionen aus collagierten Zeichnungen und eigenen Fotografien hat sich Jan Beumelburg in der Untersuchung unterschiedlichster Oberflächen, Texturen, und Strukturen delektiert. Schicht für Schicht dringt der forschende Blick in die Untiefen der Beumelburgschen Vorstellungskraft vor. Um an anderer Stelle, so etwa beim „Lauschangriff“ oder der „Oktober(r)evolution“ einfach die vordergründige Anspielung zu genießen.

Bis zum 13. Februar, Mi + Fr 15-19 Uhr, Sa 12-16 Uhr. (Luisenforum). 20.1., 19 Uhr: Gespräch mit Jan Beumelburg über Darwin, Diderot und andere (R)evolutionäre

Almut Andreae

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