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Kultur: Auf dünnem Boden

Erste Premiere in Potsdams neuem Privattheater

Erste Premiere in Potsdams neuem Privattheater Von Gerold Paul Der erste Versuch war sicherlich der schwerste. Bis zuletzt hatte die „comédie soleil“ mit nachbarschaftlichen Unwägbarkeiten, einer wohlgesonnenen Baubehörde, aber wohl auch mit sich selbst zu ringen, bevor am Freitagabend in der Feuerbachstraße die erlösende Parole geflüstert werden konnte: „Jetzt geht“s los!“ Mit akademischer Verspätung stürzten sich acht Darsteller und drei hochbegabte Musiker ins lang ersehnte Abenteuer: Ein noch unfertiges Privattheater samt Personage hatte sich beim Potsdamer Publikum einzuführen, ein neues Stück, kein Bühnenrenner, feierte seine Uraufführung auf einer weitaus längeren denn breiten Bühne, die gleichfalls ihrer Weihe harrte. Drei Premieren an einem Abend. Schwerarbeit. Die ehemalige Schreinerei mit ihrer wellig-gemauerten Decke ist kein Nobelschuppen, eher strahlt sie „Werk-Charakter“ aus. Linkerhand thront, nur mit einer Leiter zu erreichen, die Licht- und Tonregie in luftigen Höhen, gegenüber führt eine eiserne Wendeltreppe ins Hochgeschoss, dem späteren Ort für die Geselligkeit von Publikum und Kunst. Zwei eiserne Säulen inmitten, dazu etwa einhundert rote Stühle, fast allesamt besetzt. Rechtzeitiges Kommen sichert in Spe gute Plätze, die hinteren Reihen taugen weniger. Entsprechend war die Bühne für Michael Klemms Stück „Moon over Hollywood“ aufgebaut, im Nacheinander dreier Räume: Links des begabten Musikers und Komponisten Hooker (Michael Klemm) Privatgemach, rechts ein Probenkeller, dazwischen jene Kneipe in Berlin, wo ein Haufen müd“ Bediensteter tagtäglich auf Kundschaft wartet, zufrieden mit der Welt und sich. Sollte man denn Hooker, Burt (Horst Wüst) und den anderen tatsächlich glauben, dass sie es ernst meinen mit dem Traum von ihrem Welterfolg? Chef-Kneiper und Rahmen-Erzähler Aristopheles (Christian Hiemer) muss die Band ja immer wieder treiben und motivieren, damit sie etwas will. Selbst als zwei schräge Vögel Hollywoods, der Finne Beluga (Peter Thomsen) und die russisch radebrechende Sukowa (Nicole Lengenberg) ihnen einen Vertrag anbieten, geht kein Ruck durch die Truppe, entsprechend auch durch diese Inszenierung nicht. Wer war denn der Protagonist, wo lag der Bühnenkonflikt? Fatal, wenn man Trägheit von Charakteren mit Trägheit auf der Bühne verwechselt. Entsprechend matt präsentierte sich über zwei Stunden, was nach des Autoren Willen ein „Musikal“ sein sollte, mit gebrochenem k“ geschrieben. Nicht zu erkennen, wohin die „sonnige Heiterkeit“ des Theaterleiters künftig laufen wird. Man könnte seinen ersten Versuch als Song-Konzert mit szenischer Begleitung beschreiben: Gemeinsam mit der aus ganz Deutschland zusammengerufenen Jungband „Hooker and the bitty sex“ gab es wunderbare und kultivierte Musik, die allen Probier-Charakters entbehrte. Klemm, von Frank Sinatras Off-Ermahnungen animiert, sang und spielte selbst zur Gitarre, dafür gab er keine Bühnenfigur. Lose und eher nachlässig war das Szenische gearbeitet, etwa in der Kneipe, wo der Ami Richard (Klaus Heindl) einen dunklen Typ mit langem Mantel, kurzer Hose als Göbbels (Erwin Völger) beargwöhnt und Hookers Schwester Lucy (Nadja Winter) in ihrer Kurzsichtigkeit die Schmach aller Augenärzte chargierte. Letztlich war alles Lug und Trug, Beluga und die Sukowa (vom KGB) entpuppten sich durch Aristopheles“ klärendes Wort als Schwindler. Hatte das denn keiner bemerkt, gab es da nicht genügend Doppelbödiges zu spielen? Nein. Man war unter dem Theaterdach zu sehr mit dem Konzertieren beschäftigt. Kaum Feuer, keine Leidenschaft, ein Hauch nur von Humor auf textlich dünnem Boden. Die Quintessenz des ersten, freundlich aufgenommenen Versuches: Viel Musik, dafür wenig Theater. Wenn es dann wirklich losgeht, in Spe, wird alles besser werden. Wie hieß gleich die moralische Pointe des allerersten Abends? Nie aufgeben!

Gerold Paul

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