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Kultur: AufbegehrendeFlöte, tanzende Staccati

Erstmals boten die Musikfestspiele ein Programm mit Werken zeitgenössischer Komponistinnen an. Da es keineswegs waghalsig oder riskant zugehen sollte, verließ man sich auf Werke renommierter amerikanischer Musikerinnen.

Erstmals boten die Musikfestspiele ein Programm mit Werken zeitgenössischer Komponistinnen an. Da es keineswegs waghalsig oder riskant zugehen sollte, verließ man sich auf Werke renommierter amerikanischer Musikerinnen. Mit Flöte, Cello und Klavier des Meininger-Trios war zudem eine ausgesprochen ohrenschmeichelnde Besetzung aufgeboten. Dennoch fand das Konzert im Palmensaal des Neuen Garten vor nicht ganz gefüllten Reihen statt. Das mag verschiedene Ursachen haben. Bis dato verbindet das Publikum mit den Festspielen in Sanssouci die Musik des 17. und 18. Jahrhunderts. Doch kann es nicht interessant sein, auch einmal zeitgenössische Kammermusik zu hören? Zumal der historische Rahmen des Weltkulturerbes der Potsdamer Schlösser und Gärten eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlagen kann. Deshalb sollten die Musikfestspiele dieses Experiment trotz zurückhaltenden Zuspruchs nicht als gescheitert betrachten. Zudem wurde das Programm mit dem Trio op. 45 von Louise Farrenc eröffnet, einer in Aufbau und Harmonie klassischen, viersätzigen Sonate, die alles enthielt, was von solch einem Salonstück des 19. Jahrhunderts erwartet wird: perlende Läufe, tänzerische Rhythmen, melodische Linien. Das Meininger-Trio spielte spritzig-rasant, begeisterte im anmutigen Variationensatz des Andantes und ließ im furiosen Finale die Champagnerperlen prickeln. Gesteigerte Moderne erlebte man in Lili Boulangers „D´un matin de printemps“. Auf einen impressionistischen Beginn mit langer Flötenkantilene – sensibel gespielt von Christiane Meininger – und milde dissonanten Klavierakkorden folgt ein recht kantiger, schroffer zweiter Teil mit tanzenden Staccati im Klavier (Rainer Gepp) und aufbegehrender Flöte. Als avantgardistischstes Stück des Abends erweist sich „Slow Structures“ der amerikanischen Komponistin Libby Larsen, dessen Uraufführung in Gegenwart der Komponistin und der Mitglieder des Förderclubs aus Minnesota stattfand. Seine vier Sätze beziehen sich auf Verse von R. W. Emerson, H. Wadsworth Longfellow und T. Tranströmer und beschwören in tonaler, pulsierender Tonsprache die Phänomene des Schnees. Das ambitionierte Werk übergeht traditionelle Muster programmatischer Naturbeschreibung zugunsten einer authentischen, klangsinnlichen, nicht unbedingt schmeichelhaften Tonsprache. Die Nachtarbeit des „verrückten Winds“ im ersten Satz lässt den Zuhörer frösteln. Viel Beifall für Libby Larsen. Ganz andere Wege geht die ebenfalls anwesende Komponistin Hilary Tann in ihrem Werk „The Cresset Stone“ über eine mittelalterliche Lichtquelle in Englands Kathedralen. Die neu für Cello solo konzipierte Komposition meditiert in fließenden Wellen, verströmt sich im Inneren und als Ganzes. Die junge Cellistin Françoise Grober spielt samtweich, charaktervoll und wunderbar sonor in der tiefen Lage – eine charismatische Ausnahmeinterpretation. Die abschließend erklingenden „Voces de mit tierra“ (Stimmen aus meiner Heimat) von Elisenda Fábregas verbreiten dagegen sehr weltliche und extrovertierte Klänge. Insgesamt wirkt dieses viersätzige Werk recht unausgewogen, ungewollt bruchstückhaft und stellenweise pompös und überladen. Leider keine Offenbarung. Die gab es aber in der kurzen Zugabe „Oblivion“ von Astor Piazzola, die zeigte, welch berückende Klangwelten in moderner Musik existieren können. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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