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Kultur: Brüder zweier Mütter

Arbeiten von Jörg Limberg und Christian Roehl im Pavillon auf der Freundschaftsinsel

Arbeiten von Jörg Limberg und Christian Roehl im Pavillon auf der Freundschaftsinsel Von Götz J. Pfeiffer Manches scheint ähnlich, und ist doch so verschieden. Und zuweilen sind immer mehr Differenzen zu erkennen, ist die erste kleine Unähnlichkeit gesehen. Das Ungleiche sollte man stets im Hinterkopf behalten bei den knapp 40 Arbeiten, die Jörg Limberg und Christian Roehl unter ihren Nachnamen in diesem Monat im Pavillon auf der Freundschaftsinsel zeigen. Veranstalter sind die städtischen Fachbereiche Kulturkooperation, Grünflächen und untere Denkmalschutzbehörde sowie der Potsdamer Kunstverein. Als zwei Pole zeitgenössischer Kunst werden Gegenständlichkeit und Abstraktion meist gesehen. Dabei haben sie bei verschiedenen Ergebnissen den gleichen Ursprung: ein Objekt, das mehr oder weniger abbildlich wiedergegeben wird. Der im künstlerischen Ansatz wirkliche Antipode zur gegenständlich-abstrakten Kunst ist die konkrete. Sie geht von mathematisch-geometrischem Material aus und lässt dieses Gestalt annehmen, ohne auf symbolische Bedeutung zu zielen. Als der Niederländer Theo van Doesburg, Mitbegründer von De Stijl, 1924 den Begriff der konkreten Kunst einführte und wenig später eine Gruppe Gleichgesinnter um sich scharte, wollte er eine Malerei, die auf optische Weise Geistiges realisiert. Die konkrete Richtung – in Potsdam selten zu sehen und deshalb ansehenswert –, vertritt Jörg Limberg mit seinen 25 in Serien und Gruppen entstandenen Acrylbildern auf mitteldichter Faserplatte. Der gebürtige Neubrandenburger, nach Architekturstudium in Weimar und zehnjähriger Tätigkeit als Stadtplaner und Architekt in Potsdam seit 1990 als Denkmalpfleger in der unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt, kam über den Konstruktivisten El Lissitzky und Bauhaus-Künstler wie Max Bill zur konkreten Kunst. Anregend wirkten auf ihn auch Karl-Heinz Adler, der zuweilen Nestor der konkreten Kunst in Ostdeutschland genannt wird, und der 1987 hoch betagt gestorbene Hermann Glöckner, ein deutscher Konstruktivist. Sein Vorgehen erläutert Limberg in den ausliegenden – und dringend nötigen – Erklärungen am Entstehen seiner „Lotto-Bilder“. Von den gezogenen sechs plus eins Lottozahlen ging er aus, wies zuvor jeder der 49 Zahlen eine Position auf einem in sieben mal sieben Kästchen unterteilten Quadrat zu und verband jede Grundzahl von 0 bis 9 mit einem Farbwert. Das ist im Herangehen unsinnlich und bleibt im Produkt seltsam leer. So wird sich Limberg angesichts seiner historischen Wurzeln fragen lassen müssen, was das Geistige hinter einem „LAM 03-11-26“ – d.i. Lotto am Mittwoch vom 26. 11. 2003 – betitelten Bild ist? Dabei haben die selbst bei trübem Wetter leuchtenden Farben von Gelb über Rot und Grün zu Blau durchaus ihren Reiz. Doch sieht der Zufall – dieses Prinzip wähnt die Mathematik hinter den Lottozahlen – in der Reihe von zehn Bildern erkennbarer zufällig aus, als man gemeinhin annimmt? Ist hier mehr als Formalismus? Oder sollten Augen, in deren Nähe ein Gehirn solche Fragen stellt, noch nicht bereit für die Sinnhaltigkeit dieser Arbeiten sein? Von kuratorischem Geschick zeugt, Limbergs Lotto-Bilder und konzeptuell verwandte Diagonalen, Kreuze und Fibonacci-Reihen mit den formal reduzierten Arbeiten des in Potsdam bekannten und mancherorts vertretenen Christian Roehl aus Stahnsdorf zu vereinen. Flächiges und Räumliches ergänzt sich immer gut. Zudem stehen Limbergs Starkfarbigkeit die mal seidig schimmernden, mal polierten Oberflächen von Roehls Metallobjekten beruhigend zur Seite. Aber nur scheinbar bedienen sich Skulpturen und Bilder einer Bildsprache, schöpfen aus einer Quelle. Nicht nur, dass Roehl eben keine Erklärungen auslegen musste, könnten seine Arbeiten selbst noch ihrer gegenständlichen bis gestischen Titel entbehren. Da zielen die konvergierenden Flächen des silbergrauen Hakens von „Punkt“ auf jenen – genauer auf die schmale Standfläche. Dort schmiegen sich drei leicht gedrehte, nach oben verschlankende Flächen im „Dreiklang“ zusammen. Oder ein „Dialog“ findet zwischen zwei auf Kürzel reduzierten Körpern statt – das Figürliche ist am oben anschwellenden Kopf zu erkennen. Der in der Zusammenstellung angelegte Vergleich von Bildern und Skulpturen wird zum künstlerischen Wettstreit und geht für Limberg nicht gut aus. Stumm bleiben seine Arbeiten, sprechend sind die von Roehl. Denn so ähnlich die Formen beider scheinen, sind sie doch Brüder zweier Mütter. Bis zum 30. Oktober im Pavillon auf der Freundschaftsinsel. Mi-Fr 12-17 Uhr, Sa/So 12-18 Uhr.

Götz J. Pfeiffer

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