zum Hauptinhalt

Kultur: Chancen in der Nische

Raritäten mit dem Brandenburgischen Staatsorchester auf zwei CD-Novitäten

Raritäten mit dem Brandenburgischen Staatsorchester auf zwei CD-Novitäten Seine Tonträgerpräsenz sucht und findet das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt nicht im gängigen Repertoire, sondern bei der Ausforschung und Präsentation von Nischenprodukten, von kaum bekannten Kompositionen aus dem späten 19. und dem 20. Jahrhundert. Bisherigen CD-Einspielungen mit Werken von Expressionisten wie Alfredo Casella, Franz Schreker oder Egon Wellesz gesellt sich nun eine cpo-Silberscheibe (777031) mit Sinfonien von Karol Rathaus (1895-1954) hinzu. Im galizischen Tarnopol geboren und aufgewachsen, in Wien und Berlin studierend, avancierte der Komponist in den experimentierfreudigen zwanziger, dreißiger Jahren zu einem der ersten „ernsten“ Tonsetzer, die für den Tonfilm schrieben. Über Paris und London emigrierte er in die USA, wo er auch starb. Die Musik seiner 2. Sinfonie (1923) wird von den Frankfurter Musikern unter Leitung von Israel Yinon höchst aufregend im Spannungsfeld von zeitgenössischer Moderne und romantisch-sinfonischer Tradition gespielt. Mit ihren Spieltugenden (voluminöser, aber transparenter Klang, gedankliche Gewichtigkeit und klangsinnliche Größe) stürzen sie sich in den dramatischen Kampf gegensätzlicher Gewalten, breiten weit geschwungene Melodiebögen aus, die von karg klingenden, akkordisch geführten Episoden unterbrochen sind. In der Dritten (1942/43) findet sich eine starke Hinwendung zur Neoromantik. Die Melodik blüht, und harmonisch verliert man niemals den Boden unter den (Hör-)Füßen. Die Musiker singen sich dabei die (Noten-)Seele aus dem Leib. Mit ihrer zweiten Novität erweisen sie Franco Alfano (1875-1954) ihre Reverenz (cpo 777080), von dem selbst der Kundige vielleicht nur noch weiß, dass er Puccinis Oper „Turandot“ vollendet hatte. Die Sinfonie Nr. 1 E-Dur „Classica“ (1910/1953) ist musiktheatralisch geprägt, opulent orchestriert und bedient sich zwischen Elegie und fernöstlicher Klangexotik einer sehr bildhaften Sprache. Dabei mangelt es nicht an dramatischer Durchführung und ausladenden Gesten. Die Frankfurter lassen die Leidenschaften lodern, kosten den erblühenden Melos der Partitur genüsslich bis temperamentvoll aus. Nicht weniger überschwänglich musizieren sie die Sinfonie Nr. 2 C-Dur (1931/1932), einem impressionistisch funkelnden Klangkleinod. Für die glühenden Farben des Herbstes, die zart getönten Erinnerungen und tröstlichen Träumereien entwickeln die Musiker ein subtiles Klanggefühl, das weit von jedwedem Italo-Kitsch entfernt ist. Ihrer reichhaltigen Produktpalette hat das Staatsorchester zwei sehr überzeugende Novitäten hinzugefügt. Peter Buske Das Brandenburgische Staatsorchester ist heute 19.30 Uhr im Nikolaisaal zu Gast. Im Sinfoniekonzert spielt es unter Leitung von Heribert Beissel Werke von Richard Strauss, Schnittke und Brahms.

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false