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Kultur: Christentum der Tat

Wie protestantisch war Preußen?

Den „Kulturprotestantismus“ nahm der Historiker Rudolf von Thadden in einem Vortrag auf“s Korn, den er vor der Fördergesellschaft zum Wiederaufbau der Garnisonkirche hielt. Wer zum Glauben stehe, sich aber der Kirche verweigere, negiere die Gemeinschaft der Christen. Der Wiederaufbau der Garnisonkirche, den er befürworte, werde ein Zeichen setzen, diese Gemeinschaft zu bewahren und wiederherzustellen, so der Professor.

Der prominente Historiker, der u. a. an den Universitäten in Paris und Göttingen lehrte, ging in der Villa Arnim der Frage „Wie protestantisch war Preußen?“ nach. Nach der Reformation war Brandenburgs Bevölkerung streng lutherisch geprägt, lehnte die anderen Richtungen des Protestantismus ab. Dennoch wagte Kurfürst Johann Sigismund im Jahr 1613, zum Kalvinismus überzutreten. Von Thadden begründete dies auch damit, dass der Landesherr der katholischen Gegenreformation mit einer alle Richtungen umfassenden „protestantischen Internationale“ entgegentreten wollte. Die widerspenstigen Untertanen seiner brandenburgischen Kernlande zwang Johann Sigismund aber nicht, wie in anderen Staaten die Regel, den Glauben des Landesherren anzunehmen. Diese tolerante Haltung teilten seine Nachfolger. Durch die Einverleibung neuer Gebiete (Ostpreußen, Niederrhein, später Schlesien) und die Einwanderung von Hugenotten, Böhmen, Schweizern und Juden wuchs Preußen zu einem „überkonfessionellen Land“, in dem „ein jeder nach seiner Fasson selich“ werden musste (Friedrich II.).

Den Regierungsantritt des zutiefst gläubigen Friedrich Wilhelm I. 1713 nannte von Thadden eine „Sternstunde“ preußischer Geschichte. Mit seiner Zuwendung zur Frömmigkeitsbewegung des Pietismus wurden Bildungswesen, Armen- und Waisenfürsorge wesentlich verbessert. Der Erbauer der Garnisonkirche habe „ein Christentum der Tat“ verwirklicht.

Auch sein Sohn, der Freigeist Friedrich II., schnitt im Vortrag keineswegs schlecht ab. Er brachte die Aufklärung nach Preußen, aber nicht wie in Frankreich als atheistische, gegen die Religion gerichtete Bewegung. Vielmehr verband er „den Glauben mit der Vernunft“. In seinem Gang durch die Jahrhunderte würdigte der Historiker Otto von Bismarck, der kirchenpolitisch in den Geschichtsbüchern meist nur wegen seines „Kulturkampfes“ gegen den Katholizismus erwähnt wird. Viel wichtiger aber sei: Bismarck setzte nach der bereits 1817 herbeigeführten Kirchenunion 1869 durch, dass auch die Lutheraner endlich Gemeindekirchenräte und Synoden wählten, die die Gemeinschaft zwischen Geistlichen und Laien festigten. All diese progressiven Entscheidungen seien von hohem Wert für die Kirche heute und sollten deshalb erforscht und lebendig gemacht werden, resümierte Rudolf von Thadden

Nicht alle Thesen des Historikers blieben unwidersprochen. Er hatte den Protestanten unterstellt, sie seien „revolutionsschwach“, würden ihre Kräfte eher in „ruhigen Zeiten“ entfalten. Dagegen wandte Architekt Christian Wendland ein, dass sich Mitglieder der Potsdamer Jungen Gemeinde in der DDR-Zeit unerschrocken gegen die Diskriminierung der Kirche und den Abriss von Gotteshäusern eingesetzt hatten. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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