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Kultur: Das Häschen von Teheran

„Häschen Hops“ von Paula E. Paul in der fabrik

Irak ist out, Iran ist in, berichtet der Drummer der erstaunten Tänzerin, die schon eine ganze Weile nach seinen Befehlen getanzt, gestoppt und gehopst und mit Stöckchen rhythmisch geschlagen hatte, als es darum ging, neue Engagements zu finden. Wie man weiß, ist die Situation freiberuflicher Künstler hierzulande nicht gerade rosig, und das war auch das Thema, wie schon bei „Tanz.Maß.Nahme“ in der letzten Woche, von „Häschen hops“.

Die mit Holzschuhen und einer extrem langen Zipfelmütze, roter Trainingsjacke über braunen Jeans ausgestattete Paula E. Paul hat alle Hände, Beine, Arme und natürlich auch ihren Kopf voll beschäftigt, um den immer verwegeneren Aufforderungen ihres Musikers Harald C. Thiemann Genüge zu tun, was sie versuchte, wurde falsch. Mal hopste sie zu früh auf die bereitgestellte Holzplatte, mal zu spät, mal nur „ein wenig zu früh“, mal nur „ganz kurz zu spät“. Dabei setzte sie zur Polka jedes Mal wieder das frohlockend-gezwungene Lächeln auf, aber die gute Miene zum bösen Spiel half ihr nicht weiter.

Es war eine albern-unterhaltsame Pas-de-deux-Geschichte, die da in Szene gesetzt wurde und allerdings ganz ohne Tanz des Drummers auskam, aber ohne seine Schläge wäre sie gar nichts. Sein „du musst dich mehr konzentrieren“ und ihre mühevoll-erfolglosen Immer-wieder-neu-Versuche symbolisierten das mit Unterwerfung vermischte Stehauf-Prinzip moderner Künstler, die auch immer wieder probieren, rechtzeitig am richtigen Ort zu sein. Das hieß in der „Häschen-Hops“-Übersetzung: wenn das Stöckchen des Trommlers auf die blaue Schale traf, sollte die Tänzerin simultan mit ihren Holzpantinen das Brett treffen.

„Perfekt“, sagte sie einmal in schierer Selbstbegeisterung, aber auch da machte der Meister des Schlags alle ihre Hoffnungen zunichte. „Nicht ganz“, lautete sein nüchternes Urteil, und alles begann wieder von vorn. Aber es war keine Endlosschleife, die dem Publikum da vorgeführt wurde, es kamen virtuos immer neue Abwandlungen des scheinbar sinnlosen Tanzes dazu. Die Idee des Musikers, dass sie beide im Iran, der wegen der Kriegsvorbereitungen en vogue sei, Engagements bekommen könnten und sie sich als „Häschen von Teheran“ dort vor den Soldaten ausziehen könne, wurde von ihr sofort umgesetzt.

In einem sehenswerten Beinahe-Striptease streifte sie zunächst mit lasziver Geste die schwarzen fingerlosen Handschuhe ab, Schuhe, Jacke und sogar Hose folgten. Da aber hielt er sie mit einem entrüsteten „Was machst du da?“ auf, behauptete, das ständige Ausziehen auf der Bühne ginge ihm „auf den Sack“, da zog sie die roten Schuhe über, die die ganze Zeit funktionslos in einer Schlagzeugtrommel gewartet hatten, und durfte nun freie Kunst machen. Was bedeutete, dass sie zunächst den Schaum, dann den Zucker und mit tapfer-festen Stapfen den Kakao simulierte, um am Ende in einer Art Flamenco-Milchkaffee wieder ihre künstlerische Freiheit zu finden.

Das Potsdamer Publikum hatte Spaß an dieser Performance, die scheinbar leicht daherkam und doch die Schwere des sinnlos-sinnvollen Alltags thematisierte. Später dann übernahmen die Musiker von „dictaphone“ die Bühne und tauchten den kühlen Tanz-in-den-Mai-Abend mit digitalen Klangfetzen und realen Saxophon- und Klarinette-Klängen in ein mediterranes, hoffnungsvolles Flair. Lore Bardens

Lore Bardens

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