zum Hauptinhalt

Kultur: Das Labor „Großstadt“

Das nächste Stück der Tanzgruppe „Oxymoron“ über Begegnungen

Das Thema lässt sie nicht los. Schon bei „Einsturzgefahr“, dem letzten Stück des Tanztheaters „Oxymoron“ ging es um Begegnungen und das Thema Vertrauen in zwischenmenschlichen Beziehungen.

Doch dieses Motiv sieht die Gruppe unter der Regie von Anja Kozik noch nicht als abgearbeitet und probt deshalb seit drei Wochen für das kommende Stück, das sich mit der Position des Individuums in der Gesellschaft auseinandersetzt.

Handelte es sich bei „Einsturzgefahr“ noch um eine relativ ortsunabhängige Betrachtung, wird die Handlung des neuen Stückes in das größte Labor des Langzeit -Experiments „Zusammenleben“ verlegt: in die Großstadt.

Dort im Schmelztiegel der unterschiedlichen Nationalitäten, Charaktere und Ansichten müsste das Individuum sich doch prächtig entfalten und vernetzen können. Das Gegenteil ist oftmals der Fall: die Anonymität der Großstadt führt in die Isolation.

So steht im neuen Stück, das momentan noch den Arbeitstitel „Kann mal einer das Licht anmachen“ trägt, zunächst auch ein junger Mann völlig allein auf der Bühne. Erstarrt, mit festem Blick und Gesichtszügen, die seinen inneren Gemütszustand nicht einmal erahnen lassen. Zur Musik des französischen Komponisten René Aubry springt ein Tänzer auf die Bühne, umkreist den Erstarrten mit wilden Breakdance-Einlagen. Der zeigt wenig Regung, setzt sich nun aber langsam, wie in einer Super-Zeitlupe, in Bewegung, den Blick weiterhin geradeaus gerichtet. Was kann ihn entfesseln? Immer mehr Tänzer springen und tanzen um ihn herum, scheinen ihn abwechselnd zu umgarnen und aus seinem Trance befreien zu wollen. Da rempelt ihn auch schon der erste an und der Protagonist wird aktiver Teil der Gruppe, nimmt an der Gesellschaft teil. Den von filigraner Körperbeherrschung und spannungsreichen Choreographien bestimmten Bewegungen der sechs Tänzerinnen und Tänzer kann viel entnommen werden: Abgrenzung, Ängste und Abweisungen, aber auch Zuwendung, liebevolles Vertrauenschenken und innigste Wünsche.

Wenn die Politik ihre Debatten über Parallelgesellschaften und die nötige Integration von Ausländern führt, verliert sie bisweilen das kleinste Teilchen der Gesellschaft aus den Augen: den Menschen, Bei der Oxymoron-Aufführung ist dieser auf der geistigen und körperlichen Wanderung aus dem trüben Licht der ersten Takte in die dynamisch-flackernde Gemeinschaft.

So soll das Werk auch nicht pessimistisch daherkommen, wie Anja Kozik betont. „Schließlich funktioniert es in unserer Tanzgruppe auch prima. Hier verbinden sich verschiedene Charaktere mit unterschiedlicher Herkunft, und auch wir schaffen es gemeinsam.“ Die Grundfrage „Funktionieren diese Begegnungen?“ werde von der Gruppe deshalb ganz klar mit „Ja!“ beantwortet.

Am 10. März werden Ausschnitte des neuen Stücks ab 20 Uhr in der fabrik im Rahmen des Tanzfestivals „Neue Triebe: New Dance Night Dialogues“ vorgestellt. Christoph Henkel

Christoph Henkel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false