zum Hauptinhalt

Kultur: Deplatzierte Entlarvung

Premiere von Alan Ayckbourns Simultan-Doppelstück „Haus und Garten“ auf der Freundschaftsinsel

Premiere von Alan Ayckbourns Simultan-Doppelstück „Haus und Garten“ auf der Freundschaftsinsel Von Lore Bardens Joanna Mace (Anne Lebinsky) schreit alles aus sich heraus, was da an verdeckter und getrogener Hoffnung in ihr schwelt, sie wirft sich hin, sie läuft exaltiert und theatralisch auch noch im hintersten Winkel des Gartens auf der Freundschaftsinsel herum. Sie krümmt ihren schlanken Körper in allen nur erdenklichen Posen des Tragischen, das Lebinsky derart skurril übersetzt, dass es wirklich komisch ist. Sie wenigstens löst das Versprechen ein, das die Ankündigung von „Haus und Garten“ verheißt. Und realisiert damit die Definition der Komödie, die der britische Erfolgsautor Alan Ayckbourn selbst gibt: „Komödie ist die zur rechten Zeit unterbrochene Tragödie“. Während sich im „Garten“ Joannas blanke Hysterie unter Büschen kreischend zur Verrücktheit steigert, stolziert im „Haus“, also im Pavillon, die Herrin Trish Platt ruhig, blasiert und „very british“ in gedecktfarbiger Kleidung zwischen weißer Sitzgarnitur und ebenso unschuldig weißem Esstisch hin und her, geflissentlich ihren Ehemann ignorierend. Rita Feldmeier beherrscht majestätisch die Inhaus-Szenerie, die sie – als seit Jahren betrogene Ehefrau – schließlich auch zur Weißglut bringen könnte. Wenn, ja, wenn sie nicht so extrem gefasst wäre. Ihr Trick, den geilen Gatten einfach zu übersehen und -hören, wirkt allerdings nach mehrmaliger Anwendung nicht mehr ganz so lustig. Wie überhaupt viele „running Gags“ bald abgestanden schmecken: so zum Beispiel der von allen Beteiligten ständig falsch ausgesprochene Titel des Films, den keiner gesehen hat, dessen Star aber für die anstehende Party erwartet wird. Oder die männerverzehrende Aushilfsputze Joan Truce (schön exhibitionistisch: Nina El Karsheh) mit ihrer brünstigen Putzweise, die allem anderen, nur nicht dem Dreck nachjagt. Und die ständig geifernde Sabberei des Rockzipfeljägers Teddy Platt (klischeehaft aufgeturnt: Marcus Mislin). Teddy will Politiker werden, und ein blond gefärbter Gavin Ryng-Mayne im weißen Anzug verspricht, ihn in die höchsten politischen Kreise einzuführen, um ihm am Ende aber eine getänzelte Abfuhr zu verpassen. Zynisch-cool wirkt Roland Kuchenbuch als ältlicher Halbperverser, doch auch sein „mit zweimal Ypsilon“ wirkt bald abgestanden, selbst wenn er die siebzehnjährige Sally Platt (britisch-blässlich: Jennipher Antoni) in ihrer Schuluniform zunächst flirtend begierig macht und sie dann brutal mit seiner Perversion konfrontiert. Schonungslos, aber boulevardesk unterhaltsam soll die „Gesellschaft“ durch Ayckbourns Stück entlarvt werden. Und was kümmert es die Regie (Adriana Altaras), wenn es sich dabei um die britische gehobene Mittelklasse handelt, die schon in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts derart entblößt war, dass man von solcher Sozialkritik bald genug hatte. Seltsam deplatziert wirkt diese Szenerie auf der Potsdamer Freundschaftsinsel, wo auf allen Ebenen so getan wird, als habe man nur ein Rinderbratenproblem zu lösen (glaubwürdig traurig ob der Zähigkeit ihres Bratens: Gisela Leippert als Izzy Truce), und wo die Turbulenz in Gestalt der schwarzen Göttin (Adisat Semenitsch als „Lucille Cadeau“) ihren Höhepunkt darin findet, dass das Zelt, in das sie sich mit dem Hausherrn zurückzieht, von Izzy Truce als Rachegöttin mit blinkendem Fleischmesser aus der Halterung getrennt wird und über den beiden Schwerenötern zusammenbricht. Turbulent geht es zu, ob im Haus oder im Garten, kein Zweifel. Draußen hilft vor allem Ehepaar Barry und Lindy Love (Tobias Rott und Franziska Hayner), die Thematik der zerrüttenden Ehe auch auf die untere Mittelschicht zu übertragen. Ein Kinderdéfilé bringt weitere Bewegung ins Spiel, wenngleich Gärtner und Tochterschänder Warn (Joachim Schönitz) immer wieder stoisch ruhig durch das aufgeregte Bild stapft. Doch der gute, alte, naive und blauäugige Arzt Giles Mace (Kay Dietrich), Joannas Ehemann, bringt durch skurrile Kostümierung und Körperbeherrschung immer mal wieder komische Situationen zustande. Im schwülstig-schimmernden Gewand hampelt er geschmeidig-bizarr wie eine Gummipuppe und lässt die Banalität des Stückes für einen Moment vergessen. Nun denn, nehmen wir''s gelassen, genießen wir die herrliche Potsdamer Kulisse und freuen wir uns wenigstens über diese außerordentlichen Bewegungen, die ihm so schnell niemand nachmachen kann.

Lore Bardens

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false