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Das liebe Geld. Béline (links) will ans Erbe ihres Gatten Argan.

© promo/Heckentheater

Kultur: Der Kommandeur in der Pflegebadewanne

Das Theater Poetenpack spielt im Heckentheater am Neuen Palais Molières „Der eingebildete Kranke“

Will das Sommertheater eigentlich ergründen, was die Welt im Innersten zusammenhält? Wohl kaum. Steht das Publikum an lauen Sommerabenden mit einem Glas Wein in der Hand in Freilichtbühnen ausschließlich auf billige Unterhaltung und Abenteuerausflügen? Wohl auch nicht. Das Theater Poetenpack Potsdam hat bewiesen, dass hohe Klassik wie die Shakespeare-Stücke „Hamlet“, „Maß für Maß“ oder Tschechows „Onkel Wanja“ ihren Platz durchaus in der Open-Air-Saison haben können. Humor und Spaß natürlich inbegriffen.

In diesem Jahr hat sich das Poetenpack der 1673 erstmals aufgeführten Komödie „Der eingebildete Kranke“ von Molière zugewandt. Gespielt wird in der malerischen Naturkulisse des friderizianischen Heckentheaters am Neuen Palais, das das freie Theater der Landeshauptstadt im vergangenen Jahr für sich entdeckt hat. Bislang wurde es als Aufführungsstätte recht stiefmütterlich behandelt. Doch das Freiluft-Ambiente spielt in der Aufführung von Teo Vadersen keine Rolle. Die Inszenierung soll ja auf verschiedenen Freilichtbühnen gezeigt werden, mit jeweils anderen Kulissen.

Den Sinn des Publikums nach launiger Unterhaltung hat Regisseur Teo Vadersen, der als Poetenpack-Schauspieler sich in Potsdam einen Namen gemacht hat, ernst genommen. Natürlich kann man die Molière-Komödie mit überbordenden Slapstick-Einfällen inszenieren, die sarkastischen Bemerkungen des Hypochonders Argan zu aktuellen Bezügen in Richtung Ärzteschaft und Apotheker überhöhen. Doch die Inszenierung hält stets Balance zwischen Klamauk und Komödie. Sie macht vor allem deutlich, dass sich über den grummeligen Argan nicht so leicht der Stab brechen lässt. Ist er nur ein Hypochonder, der sich in seine vermeintlichen Krankheiten – Lunge, Leber oder Milz – verliebt hat? Ist er ein tobender Alter, der alle Welt – Töchter, Dienstmagd, Ärzte, Advokaten – herumkommandiert? Oder ist er einfach nur einsam? Teo Vadersen legte sich in seiner ersten Potsdamer Regiearbeit nicht fest.

Die Rolle des Argan scheint für Justus Carrière maßgeschneidert zu sein. Zum ständigen Ruhesitz in seinem Haus erkor er sich eine riesengroße bewegliche Pflegebadewanne, die auf dem ansonsten kargen Bühnenpodest (Ausstattung: Janet Kirsten) wie ein Thron wirkt. Von dort meint er seine Tochter Angélique (Clara Schöller) unter Kontrolle zu haben, die er aus Eigennutz mit einen Arzt liieren möchte, unwissend, dass diese sich schon in Cléante (Felix Isenbügel) verliebt hat. Ärzte und Apotheker gieren nach seinem Geld, Bruder Béralde (Willi Händler) und Dienstmädchen Toinette (Rike Joeinig) wollen ihn jedoch listig umpolen, seine Frau Béline (Karen Schneeweiß-Voigt), eine Erbschleicherin, sähe ihn am liebsten tot. Er macht es seiner Umwelt ja auch nicht leicht – mit seinem Gejammere, andauernden Klistieren und der Vorliebe für medizinische Details seiner Exkremente.

So wird Argan zum Zentrum kleiner Betrügereien. Doch Carrière lässt nicht allzu viel Mitleid mit seiner Rolle zu. Als hätte er sich den quirligen französischen Filmschauspieler Louis de Funès zum Vorbild genommen, ist Argan hin und wieder ein agiler Wüterich. Wenn auch kein hinterhältiger. Das kesse und bauernschlaue Dienstmädchen Toinette, die weibliche Glanzrolle des Stückes, wird von Rike Joeinig hinreißend flott gespielt. Regisseur Teo Vadersen gibt dem gesamten Ensemble genügend Spiel-Raum, damit die Kolleginnen und Kollegen nicht nur Dienstleister für die beiden Hauptdarsteller sind, sondern auch mit Freude ihre verschiedenen Rollen spielen. Und in der Regel wird die Freude von Schauspielern zu der ihres Publikums. Besonders in der Szene, in der der tumbe, zum Aggressiven neigende angehende Arzt Thomas Diafoirus (Benedict Badenius) mit viel Geplapper um die Hand von Angélique anhält. Doch sie bleibt ihrem Cléante treu. Dies erkennt schließlich auch Argan und zum guten Schluss wird in einer fast rührseligen Szene Happy End gefeiert. Die barocken Kostüme und Perücken entwarf Janet Kirsten. Hierbei konnte sie alle Reduktion beiseitelassen und ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Zum Schluss gab es heftigen Applaus für Darsteller, Regisseur und Ausstatterin. Klaus Büstrin

Weitere Vorstellungen heute um 20 Uhr, morgen um 17 Uhr, vom 13. bis 16. Juli, am 20., 22. und 23. Juli jeweils um 20 Uhr

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