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Kultur: Der Traum von einer Mitte

Am Sonnabend soll Leben in den Staudenhof kommen

Am Sonnabend soll Leben in den Staudenhof kommen Von Dirk Becker Ronald Granz hat einen Traum. Der Staudenhof, dieser „verlassene Platz in Potsdams Mitte“, soll vor Leben nur so strotzen. Wo jetzt ein paar Tische des Cafés „Staudenhof“ stehen, viel Grün zwischen Beton wuchert, muss einfach mehr passieren. Das Jetzt ist für Granz eine unhaltbare Situation. „Platzseelenwunde Sturz 5“ nennt der Potsdamer Schriftsteller Granz das stille Areal. Er wiederholt es noch einmal. „Platzseelenwunde Sturz 5“, und lauscht seinen machtvollen Worten nach. Eine Erklärung folgt nicht, dieses Wortungetüm soll für sich sprechen. Bernhard Wendel, Mitglied des Beirats Potsdamer Mitte, sieht das pragmatischer. Bei der gestrigen Pressekonferenz für die morgen im Staudenhof stattfindende Inszenierung „verwittert – verwunschen - verkommen“, stellte er ein Konzept für eine mögliche Wiederbelebung des Platzes vor. Für Wendel ist der Staudenhof der Zukunft eine Promenade, die den Alten Markt mit dem Platz der Einheit verbindet. Plantanengesäumt und von Touristen bevölkert, soll der Staudenhof nicht mehr der Hinterhof sein, wie der Potsdamer ihn heute kennt. Die derzeit „künstliche Barriere“, wie Wendel die Aufschüttung nennt, die den Wirtschaftshof für das Fachhochschulgebäude verbirgt, müsse natürlich verschwinden. Allein die Treppe, die zum Staudenhof führe, wirke schon als Bremse. Integriert in das Gesamtkonzept zur Wiederherstellung von Potsdams historischer Mitte darf der Staudenhof nicht am Rande liegen bleiben, fordert Wendel und verabschiedet sich vorzeitig von der Pressekonferenz. Was auf dem verwinkelten und zubetonierten Platz alles möglich sein kann, soll der Samstag zeigen. Mit „verwittert – verwunschen – verkommen“ will der TRAnsfer e.V. ab 18 Uhr Kunst ins scheinbar verlassene Areal bringen. Lesungen – darunter aus Rosa Luxemburgs „Briefe aus dem Gefängnis“ – sind geplant, daneben Vorträge, Licht- und Videoinstallationen. Elke von Kuick-Frenz, Beigeordnete für Stadtentwicklung und Bauen, will ein Grußwort sprechen. Ronald Granz ist das nur wenig Trost. Zu lange sei der Staudenhof von der Stadtvernachlässigt, lediglich die Bäder in den Wohnungen des Neubaublocks Am Alten Markt 10 gefliest worden. Darüber kann Roland Granz fast verzweifeln. Wie soll, wenn nicht einmal genügend in die Wohnungen investiert werde, da Leben auf den Platz stattfinden. Für Roland Granz ist der „vernachlässigte“ Staudenhof aber längst nicht mehr nur ein städtebauliches Problem. Für ihn ist er Menetekel für den gesellschaftlichen Verfall. Mit seinem Theaterstück „Wenn der Engel kommt“, das vom Poetenpack ab 20.30 Uhr gespielt werden soll, will er den Zuschauer „wachrütteln“, denn ein „Wir-Gefühl“ gebe es in dieser, unseren Gesellschaft – Granz nennt sie „Hochgeschwindigkeitsgesellschaft“ – nicht mehr. Erzählen will der Autor die Geschichte von vier Menschen, die am Staudenhof leben, dort aber nicht wirklich zu Hause sind. Granz spricht von der „existenziellen Obdachlosigkeit unserer Tage“ und meint damit Vereinsamung, hoffnungslose Liebe und Männer, die mal wieder nichts anderes als „richtige Schweine“ sind. Auf dem Staudenhof, wo die Geschäfte nur ihre Rückseiten zeigen, wo der Springbrunnen „Wasserharfe“ zum Blumenbeet degradiert wurde und die Baustelle am Alten Markt ein Durchkommen fast unmöglich macht, soll es laut Granz wieder so sein, wie es früher einmal war. Auf die Nachfrage eines Journalisten, wie es früher auf dem Staudenhof denn gewesen sei, zögert er mit einer Antwort. „Es war Potsdams Zentrum“, sagte er schließlich - und sein Blick verrät, dass er sich selbst dabei nicht ganz sicher ist.

Dirk Becker

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