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Kultur: Die Einladung eines Mannes

Pablo Veron und Noel Strazza tanzen Tango und die Kammerakademie Potsdam spielt dazu

Pablo Veron und Noel Strazza tanzen Tango und die Kammerakademie Potsdam spielt dazu „Tango ist ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann“, schrieb der argentinische Dichter Enrique S. Discépolo. Schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts erlebte Europa eine Tangomanie. Angesichts der tranceartigen Versunkenheit der Tanzpaare mit ineinander verschlungenen Beinen bei fast liegender Haltung fragte damals eine französische Komtesse ihren Begleiter: „Tanzt man diesen Tanz wirklich im Stehen? Oder nicht doch im Liegen?“ Gefühl und Intuition braucht es zum Tangotanzen, denn die Gesichter der Paare gucken immer streng aneinander vorbei. „Der Tango hat mit uns gemacht, was er wollte, uns herumgetrieben und auseinander gebracht und dann wieder zusammen. Alle Männer waren voll dabei, wie im Traum ... Dann hat sich der Wind gedreht, der die Musik herüber geweht hatte, und ich habe wieder auf meinen Körper aufgepasst und auf den meiner Partnerin.“ schrieb Jorge Luis Borges, einer der berühmtesten Literaten Argentiniens. Auch Pablo Veron, der jetzt zum ersten Mal in Potsdam im Nikolaisaal auftritt, ist vom Tango begeistert. Im Gespräch mit den PNN bekennt sich der Argentinier dazu, ein echter „aficionado“ des Tango zu sein und fügt ein „immer noch“ dazu. Die erste Begegnung sei eher zufällig gewesen. „Ich tanzte Jazz und Stepptanz und erhielt als Achtzehnjähriger ein Angebot, Tango zu tanzen. Wir machten eine Choreografie, aber das war kein richtiger Tango.“ Erst als er ein „Milongero“ fand – eine Bar, wo traditionell Tango getanzt wird – lernte er, was Tango heißt. „Dort war ein dicker, älterer Mann, ein Hafenarbeiter, und als ich ihn sah, wunderte ich mich sehr. Dieser Mann tanzte wunderbar!“ Der große Tangoboom entstand mit der Show „Tango Argentino“, die in Buenos Aires produziert und 1983 in Paris uraufgeführt wurde. Bei diesem Spektakel, das jahrelang durch die Welt tourte, war Pablo Veron lange mit dabei. Dort hatte er die Gelegenheit, einige der besten alten Tänzer kennenzulernen. Spätestens seit seiner Hauptrolle im Film „Tango Lesson“ (1993) von Sally Potter gilt Veron selber als einer der besten Tangotänzer weltweit. Für ihn kommt es beim Tango darauf an, zuerst zu vergessen, dass man tanzt: „Es ist ursprünglich ein Tanz des Volkes, der mehr damit zu tun hat, den Körper organisch zu bewegen als mit einer Technik.“ Dabei sei der Tanz durchaus auch erotisch, „aber nicht im Sinne von sexuell. Salsa und Lambada sind viel erotischer. Tango besitzt eine verführerische Energie, aber für mich ist Tango mehr als das.“ Seit vier Jahren tanzt Pablo Veron mit Noel Strazza zusammen, die ebenfalls aus Buenos Aires stammt. Auch sie gelangte über eine Ausbildung in klassischem und modernem Tanz zum Tango. Strazza definiert Tango als „eine Begegnung die für jeden eine andere Bedeutung hat. Jedes Paar kann es anders erleben, romantisch, verführerisch, feurig ... „Es gibt viele Möglichkeiten zum Spielen. Er dient dazu, dass der Mann einlädt, und die Frau die Einladung annimmt – so entsteht eine Kommunikation.“ Pablo Veron entwickelt wechselnde choreografische Linien, „immer gibt es einen improvisierten Anteil darin. Alle choreografischen Ideen kommen letztlich aus der Improvisation.“ Bei aller ursprünglichen Bodenständigkeit besitzt der Tango ausgeprägte künstlerische und intellektuelle Facetten, die seine Fama weltweit belebt haben. Astor Piazolla, ein Musiker mit klassischer Ausbildung, brachte eine neue Dimension, einen neuen Klang in den Tango. Unter den berühmten Tangodichtern nennt Pablo Veron als Favoriten Enrique Cadícamo, Alfredo Lepera und Enrique S. Discépolo. In ihren Texten wird die beim Tanz eher dominant erscheinende Position des Mannes immer wieder mit traurigen Themen wie verlorener Jugend, abgewiesener Liebe oder existenzieller Einsamkeit melancholisch konterkariert. Tango Argentino – Pablo Veron, 19 Uhr, Nikolaisaal.

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