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Kultur: Die Kulturkarawane zieht voran

Katrin Werlich von al globe will mit Kultur Herzen öffnen und Rasen in die Charlottenstraße legen

Der Kampf für eine tolerantere, menschenfreundliche Gesellschaft ist anstrengend. Doch die Geschäftsführerin des al globe, Katrin Werlich, wird nicht müde, wenn es darauf ankommt, den Dschungel aus verschiedenen Zuständigkeiten, Fördertöpfen und Projektmitteln zu erklären, durch den man hindurch muss, will man etwas zum Guten wenden. In ihm kann man sich verfangen, man kann sich frustrieren lassen, man kann darüber zynisch werden. „Gute Ideen kriegt man nie eins zu eins gefördert“, weiß Werlich aus Erfahrung, die sie auch in ihrer Zeit beim geschäftsführenden Vorstand der Grünen nahen Böll-Stiftung sammeln konnte. Doch zynisch ist sie selbst nach fünfzehn Jahren Arbeit für eine tolerantere Gesellschaft nicht geworden. Obwohl Brandenburg an Nummer eins der Länderstatistik steht, was Morde und Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund betrifft.

Katrin Werlich glaubt fest an den eingeschlagenen Weg, „mit Kultur die Herzen zu öffnen“ und die ostdeutsche Tradition, mit Kultur eine politische Botschaft zu verbinden. Darüber ist 2000 die Idee zum al globe entstanden. Das gibt es als Haus, als eine Art kleineres Pendant zum Berliner Haus der Kulturen der Welt, und als „Kulturkarawane“, die unter dem gleichen Namen durch das Land zieht.

Wichtigste Neuerung im Potsdamer al globe in diesem Jahr war die Gründung eines Trägervereins für das Haus in der Charlottenstraße 31 zusammen mit dem Kabarett Obelisk. Kabarett und Multikulti-Verein verwalten das Haus nun gemeinsam und entdecken langsam die Möglichkeiten eines gemeinschaftlichen Ansatzes. Viele gute Ideen wurden da schon ausgetauscht. Die erste ist ein Straßenfest, das die stiefmütterlich beachtete Charlottenstraße, einst eine der besten Potsdamer Adressen, wieder in den Mittelpunkt rücken soll. Die Straße, so Werlich zu den Festplänen, soll am zweiten Juliwochenende mit Rollrasen begrünt werden.

Das al globe habe sich mittlerweile als „Club“ etablieren können, Werlich spricht sogar von einem „Insider-Club“. Der monatlich mindestens einmal stattfindende Völkerball sei als Marke erfolgreich eingeführt. „Wären wir mit dem Programm in Berlin“, ist sich die Geschäftsführerin sicher, „würden uns die Leute die Bude einrennen.“ Denn hier im ersten Stock des Kabaretthauses würden die Bands auftreten, die man in zwei Jahren nicht mehr bezahlen könne. Ob man noch richtig tanzen gehen kann? „Aber Hallo!“, ruft die Chefin mit Blick auf die Reihe „Planet Fruit“ mit Radio eins DJ Johannes Paetzold.

Verstärkt arbeitete man im letzten Jahr an der Öffnung des Hauses für die Potsdamer Szene, man schärfte das innerstädtische Profil in Richtung Kleinkunst, so Werlich. „Wir wollen das Besondere bieten“, sagt sie. Eine Konkurrenz zum Kulturzentrum der Studenten sieht sie nicht. Das Haus der Kulturen hat die Verbindungen zu vielen in der Stadt aktiven Organisationen und Vereinen geknüpft, die nun mit organisatorischer Unterstützung Programm machen können. Der studentische ASta, die Erasmus Initiative, der Flüchtlingsrat oder Vereine wie der BeDiTo e.V., der den interreligiösen Dialog fördert, wurden und werden zum Mitmachen eingeladen. „Das hat uns unheimlich viel Kraft gekostet“, meint Werlich, „wir sind in die Pflicht genommen worden, was uns aber auch gut getan hat.“

Die Arbeit scheint sich gelohnt zu haben, denn das al globe und sein Trägerverein mit dem etwas unhandlichen Namen „Brandenburgischer Verein für Weltoffenheit und Menschenwürde“ sind nun in der Stadt angekommen. Das wird besonders deutlich durch die Übernahme der Villa Grenzenlos und des Nachbarschaftreffs „Milanhorst“ im Schlaatz.

In der einstigen Stadtteilvolkshochschule Villa Grenzenlos in Babelsberg entsteht ein Zentrum für Interkulturellen Dialog, in dem ausländische Stipendiaten leben und wissenschaftlich arbeiten werden, ein Ort des geistigen Austauschs und der Weiterbildung.

Werlich freut sich ganz besonders über den gerade übernommenen Nachbarschaftstreff im Schlaatz, für sie ein Pilotprojekt. Zwar seien in der Siedlung sicher nicht Verhältnisse wie in den französischen Vororten zu erwarten. Die relativ hohen Anteile von Bewohnen mit Migrationshintergrund, wie sie die große dort vertretene Gruppe der russischen Einwanderer besäße, stelle aber sehr wohl eine reizvolle Integrationsaufgabe. Stadtentwicklung und Migration sei ein Zukunftsthema. Werlich arbeitet zurzeit an der Konkretisierung des Nutzungskonzepts. Für sie ist klar, dass der erfolgreiche Integrationsgarten, den engagierte Schlaatzer dort betreiben, auf jeden Fall ein fester Bestandteil des Projektes sein wird.

Andere Aktivitäten des Vereins für Menschenwürde nimmt der Potsdamer nur am Rande wahr. Kleinere und größere Kulturfeste im Land Brandenburg, wie die transVOCALE in Frankfurt (Oder) und Slubice. Für deren Programme ist seit einiger Zeit Bernhard Hanneken zuständig, der als künstlerischer Leiter des bundesweit größten Multi-Kulti-Festes in Rudolstadt ein Kenner der Szene ist.

Für Werlich geben gerade diese außerstädtischen Kulturfeste, z.B. in kleinen Gemeinden beiderseits der Oder, die im Projekt „Trafo Europa“ besucht werden, besondere Zuversicht. Über das Brückenfestival in Ludwigsfelde gerät sie regelrecht ins Schwärmen. Unter der Autobahnbrücke findet dort alljährlich im September ein Festival mit Weltmusik mit bis zu 10000 Gästen statt. Kostenlos. „Der wohl größte überdachte Festplatz in Europa“, sagt Werlich stolz. Über dem Festival tosen die Warenströme von Moskau nach Paris. In Ludwigsfelde sei Weltoffenheit nun ein Standortfaktor. Katrin Werlich arbeitet daran, dass das irgendwann auch für ganz Brandenburg gelten kann.

Matthias Hassenpflug

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