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Kultur: Die Last mitgetragen

Sigrid Grabner und Hendrik Röder gaben im Lukas Verlag ein Buch über Emmi Bonhoeffer heraus

Sigrid Grabner und Hendrik Röder gaben im Lukas Verlag ein Buch über Emmi Bonhoeffer heraus Vor 15 Jahren, im Juli 1989, war Emmi Bonhoeffer zu Gast in der „Arche“. Dieser Potsdamer katholische Gesprächskreis, den es heute immer noch gibt, wurde in der DDR-Zeit von der Staatssicherheit beargwöhnt und beobachtet. Es war schon mutig, eine in politischen Fragen kritische Frau wie Emmi Bonhoeffer, die im anderen Teil Deutschlands lebt, in der DDR auftreten zu lassen. Emmi Bonhoeffer, die Frau des Juristen Klaus Bonhoeffer, der nach dem misslungenen Attentat gegen Hitler (20. Juli 1944) von den Nazis hingerichtet wurde, sprach über das Leben und Wirken ihres Mannes und seiner Freunde. Ihr Vortrag und das anschließende Gespräch mit der Schriftstellerin Sigrid Grabner wurden vom Tonband aufgezeichnet. Kennen gelernt haben sich die beiden Frauen in dem Bornstedter Garten der Historikerin Ruth Bork. Dort, in der Nähe des Anwesens von Karl Foerster, hat Sigrid Grabner die Gespräche mit Emmi Bonhoeffer ebenfalls aufgenommen. Zum 60. Jahrestag der Wiederkehr des 20. Juli 1944, haben Sigrid Grabner und Hendrik Röder im Lukas Verlag Berlin das Buch „Emmi Bonhoeffer“ – Essay, Gespräch, Erinnerung – herausgegeben. Emmi Bonhoeffer ist in eine sehr bekannte Familie hinein geboren, in der des Politikers und Historikers Prof. Hans Delbrück. Geheiratet hat sie den Sohn des Psychiaters Karl Bonhoeffer, Klaus. Der Bruder war der Theologe Dietrich, der ebenfalls von den Nazis ermordet wurde. Zwei Berliner Familien, die höchste geistige Ansprüche an sich selbst stellten. „Bei den Delbrücks und den Bonhoeffers war der Vater unbedingt Autorität und in beiden Familien nicht aufgrund von Strenge, sondern von Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit, Einfachheit, Integrität, Aufrichtigkeit“, sagte Emmi Bonhoeffer im Gespräch. 1930 heirateten Emmi und Klaus Bonhoeffer. Der Jurist war Chefsyndikus der Deutschen Lufthansa AG. Klaus war, wie die Bonhoeffers und Delbrücks, ein entschiedener Gegner des Hitler–Regimes. Er meinte, nur die Militärs könnten den Nationalsozialismus zu Fall bringen. Am 1. Oktober 1944 wurde er verhaftet, am 23. April 1945 ermordet. Im Abschiedsbrief an seine Kinder schrieb er: „Die Zeiten des Grauens, der Zerstörung und des Sterbens, in denen Ihr, liebe Kinder, aufwachst, führen die Menschen die Vergänglichkeit alles Irdischen vor Augen, denn alle Herrlichkeit des Menschen ist wie des Grases Blume.“ Das informative, sehr berührende Buch macht mit zwei Menschen, mit Emmi und Klaus Bonhoeffer bekannt, denen Machtmissbrauch, Rassismus und Krieg zutiefst zuwider waren, die Gerechtigkeit und Wahrheitsliebe über alles liebten. Darum liest man das Buch, das mit historischen Fotos ausgestattet ist, mit großer Anteilnahme. Das Interesse an beide Persönlichkeiten wird durchgehend wach gehalten. Die Herausgeber haben auch einen Text vom Emmi Bonhoeffer aufgenommen, der mit „Frauen im Widerstand“ betitelt ist. Die Autorin erinnert sich an politische Missionen während der NS-Zeit, die in ihren Augen zwar geringfügig, jedoch von großer Wichtigkeit waren. „Wenn man nicht selbst agierte, sondern nur die Frau eines politisch Handelnden war, bestand wohl auch die Hauptaufgabe darin, zu schweigen und die Last der Entscheidungen mitzutragen“, schrieb Emmi Bonhoeffer. Bis ins hohe Alter war sie an politischen Dingen interessiert, ihr Verstand hellwach. Sie übernahm 1964 die Aufgabe, Zeugen im Auschwitz-Prozess zu betreuen. Ihre Bemerkungen und Gedanken dazu, die sie in Briefen verfasste, sind im Buch nachzulesen. Emmi Bonhoeffer starb am 12. März 1991 in Düsseldorf. Emmi Bonhoeffer, herausgegeben von Sigrid Grabner und Hendrik Röder, Lukas Verlag, 16 Euro. Buchpremiere am 18. Juli, 11 Uhr im Kutschstall. Lesung: Martina Gedeck.

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