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Kultur: Die Ordnung der Bedrängten

Lebensbericht von Harald Poelchau wird wieder aufgelegt

Lebensbericht von Harald Poelchau wird wieder aufgelegt Erstmals seit fast vier Jahrzehnten wird Lebensbericht „Die Ordnung der Bedrängten“ von Harald Poelchau (1903-1972) wieder veröffentlicht. Der in Potsdam geborene spätere Gefängnispfarrer musste von 1933-1945 in den Zuchthäusern Berlin-Tegel und Brandenburg-Görden mehr als 1000 zum Tode Verurteilte, vor allem Widerständler gegen Hitler, zur Hinrichtung begleiten. Die Neuherausgabe des Berichts wird erst zum Jahresende möglich sein, nachdem die Justizverwaltung des Berliner Senats vor wenigen Tagen doch eine Förderung des Projekts zugesagt hat. Dies teilte Klaus-Peter Gerhardt vom Verlag Hentrich & Hentrich auf einer Veranstaltung der Brandenburgischen Landeszentrale für Politische Bildung mit. Das Buch wird nicht nur Poelchaus Autobiographie enthalten, sondern auch Texte u.a. von Günther Wirth und Clarita von Trott zu Solz. Die Ehefrau des hingerichteten Potsdamer Widerständlers Adam von Trott zu Solz war ebenfalls zeitweise inhaftiert worden und hatte die Fürsorge des Pfarrers innerhalb und außerhalb der Gefängnismauern erfahren. So stellte er den Kontakt zu ihren beiden in ein Heim verschleppten Kindern her und steckte ihr Lebensmittel zu. Günter Wirths Beitrag behandelt die Dissertation Poelchaus zum Thema „Das Menschenbild des Fürsorgerechts“. Sie war 1931 im Potsdamer Sprotte-Verlag erschienen, eine der wenigen noch nachweisbaren Verbindungen des Pfarrers zu seiner Geburtsstadt. Diesen Potsdamer Spuren ist Gottfried Kunzendorf nachgegangen. Ihm gelang es, durch eine Kopie des Taufscheins nachzuweisen, dass Poelchau entgegen anderen Angaben nicht in Schlesien, sondern wirklich am 5. Oktober 1903 in Potsdam geboren und einen Monat später in der Nikolaikirche getauft wurde. Stadtkirchenpfarrer Martin Vogel nimmt dies zum Anlass, morgen zu einem Abendsegen einzuladen. Ihm geht um 16 Uhr im Filmmuseum die Aufführung des vor zweieinhalb Jahren von Irmgard von zur Mühlen gedrehten Dokumentarfilms Jeder Tod war mir ein tiefer Schmerz“ voraus, der bisher noch nicht den Weg auf den Bildschirm gefunden hat, sowie ein Gespräch mit Zeitzeugen, darunter der Tochter des Gefängnispfarrers, Andrea Siemsen. Auf der Veranstaltung der Landeszentrale las Eva-Maria Eisenhardt Auszüge aus Poelchaus Lebensbericht. In beherrschter Nüchternheit und in allen Einzelheiten schildert der Pfarrer den Todesmechanismus der Hinrichtungen durch die Nationalsozialisten. Die Zuhörer zeigten sich geschockt und tief angerührt. „Das Leben zu nehmen, steht nur Gott zu“, war Poelchaus Credo. Deshalb sei jedes vollstreckte Todesurteil „ein Verbrechen wie Mord“. Erhart Hohenstein Harald Poelchau, Die Ordnung der Bedrängten, Verlag Hentrich & Hentrich, , etwa 14,90 Euro, erscheint im Dezember 2003

Erhart Hohenstein

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