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Kultur: Diva vorm Altar

Angelika Milster in der Nikolaikirche

„Über Geschmack lässt sich nicht streiten“, sagt Angelika Milster bei ihrem Auftritt in der sehr gut gefüllten Nikolaikirche. Die Frage ist, was die Sängerin, die einst als Katze Grizzabella in „ Cats“ bekannt wurde, damit meint. Vielleicht, dass sie außer den Streifzügen durch die Musical- und Schlagerwelt schon seit einigen Jahren geistliche Lieder und sogar Opernarien singt? Zur Zeit tourt Angelika Milster mit diesem Programm durch unzählige Kirchen in ganz Deutschland. Ein voller Erfolg, wie man lesen kann.

Vor dem großen angestrahlten Altarkreuz steht die blondierte Sängerin im schwarzen Nerz und mit funkelndem Ohrschmuck am Mikrofon. Eine Diva vorm Altar. Zu ihrer Rechten sitzt ihr langjähriger Begleiter Jürgen Grimm an der Orgel. Im Kirchenrund herrscht Dunkelheit. Licht wird nicht gebraucht, es gibt sowieso kein gedrucktes Programm. Eine Titelansage hält Angelika Milster für überflüssig, denn, so sagt sie, die Zuhörer sollten sich ganz der Musik hingeben. Im ersten Teil erklingen Lieder wie „Guten Abend, Gute Nacht“, gleich zweimal ein „Ave Maria“, ein „Kyrieleison“, Italienisches von Mascagni bis Bellini. Doch eigentlich braucht man die Titel nicht zu kennen, alles klingt gleich. Dunkel dräut die Orgel, stets noch etwas tiefer als die ohnehin nicht gerade helle Stimme der Sängerin, der Rhythmus bleibt getragen, fast statisch. Es gibt nichts Heiteres oder Beschwingtes. Die markante, immer noch recht voluminöse Stimme mit stählernem Timbre verfügt nur über einen geringen Stimmumfang und ist - abgesehen von der Lautstärke - kaum wandlungsfähig. Das ergibt eine technische, bemüht effektvolle Wiedergabe ohne wirkliche Gesangskultur. So vorgetragen, wirken die Lieder einförmig. Es ist egal, ob es um die Liebe geht, um die Sünden der Welt, die Anbetung von Maria oder das Agnus Dei. Man versteht jetzt, warum bei diesem Programm Titel und Texte so unwichtig sind. Man kann aber fragen, ob die Komponisten, darunter Bach, Händel, Brahms, Mozart, ebenso gedacht haben. Ihnen ging es um eine sinnfällige Vertonung der Worte. Nach der Pause folgen „Der Mond ist aufgegangen“ und einige englische Titel. Auch der für Bette Midler geschriebene Song „From a distance“ und vor allem die eigenwillige Interpretation von Bernsteins „Somewhere“ lösen viel Beifall aus. Milsters Stimme ist nichts fremd, was von ihr nicht angepackt werden kann. Die sehr präzise auf die begrenzten vokalen Möglichkeiten zugeschnittenen Arrangements der Lieder helfen bei der Bewältigung dieser Aufgabe. Dies hat der Abend auch gezeigt: Über Geschmack lässt sich trefflich streiten. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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