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Kultur: Ehrlich, aber nicht privat

Gela Eichhorn: Von der Lehrerin zum Erzähltheater

Gela Eichhorn: Von der Lehrerin zum Erzähltheater Auf eine Frage kann bei Gela Eichhorn verzichtet werden. Warum sie sich für das Erzähltheater entschieden hat. Man lässt sie reden und weiß schon nach kurzer Zeit warum: Begeisterung. Zuerst sind es ihre Hände, dann die Arme, das Gesicht und irgendwann der ganze Körper. Euphorie steckt in dieser zierlichen Frau. Eben noch, als sie das kleine Café im Holländerviertel betrat, ganz die Ruhe in Person. Nun sitzt sie einem gegenüber und man muss aufpassen, dass sie einen mit ihrer begeisternden Erzählweise nicht ansteckt. Aber Ansteckung, die ist beim Erzähltheater sehr wichtig, wie sie später noch erklären wird. Gela Eichhorn wirkt souverän, aber nicht auftrumpfend. Selbstbewusst und die Situation in begrenztem Maß kontrollierend, das immer noch genügend Raum für Offenheit lässt. Ihr früherer Beruf Lehrerin hat Spuren hinterlassen. Doch die Jahre im Schuldienst haben sie nicht zur spitzgesichtigen Vollzeitpädagogin gemacht, die jede Frage mit einem missbilligenden Augenrollen kommentiert. „Als Lehrerin habe ich mit den Kindern wunderbare Sachen erlebt.“ Eine Zeit, die sie nicht missen möchte. Schon damals hat sie mit dem Theater begonnen und gemerkt, dass sie so den Kindern mehr geben könne. Mehr Freiheiten, mehr Möglichkeiten auf einzelne Schüler einzugehen, sich selbst auf den Beobachterposten zurück zu ziehen und die Kinder machen zu lassen, das alles habe ihr die Theaterarbeit ermöglicht. Dinge, die ein Lehrer, der immer auch Verwaltungsmensch und an einen Lehrplan gebunden ist, auch wenn er es möchte, selten umsetzten könne. Vor gut zehn Jahren, ihre drei eigenen Kinder waren in dem Alter, dass sie sich wieder stärker auf sich konzentrieren konnte, begann sie in Kreuzberg Theaterpädagogik zu studieren. Dort kam sie mit dem Erzähltheater in Berührung. Die Form, die die ihre werden sollte. „Es ist das Erzählen, pur, ganz dicht am Publikum“, was Gela Eichhorn hier von Anfang an faszinierte. Es gehe darum, mit wenigen Mitteln berühren zu können. Man müsse von der Geschichte, die man erzählt, voll überzeugt sein, um das Publikum damit ebenfalls anzustecken. Dabei aber immer nur soviel erzählen, dass sich etwas bloß andeutet, das jeder Zuhörer dann zu eigenen Bildern machen könne. Als Erzählerin ist sie so gleichzeitig Beobachterin, wie das Publikum auf sie und die Geschichte reagiert, um dann wieder entsprechend reagieren zu können. „Nicht privat aber ehrlich“, so muss erzählt werden. Die Kurzgeschichte „Erfindung einer Sprache“ von Wolfgang Kohlhaase nahm Gela Eichhorn schon während ihres Germanistikstudiums Ende der 70er in Potsdam gefangen. Die Erzählung vom KZ-Häftling Straat, der ein Fantasiepersisch erfindet, das er dem Küchenkapo Battenbach beibringt und so sein Leben rettet, ließ sie all die Jahre nicht los. Doch erst jetzt hat sie diese Geschichte in einem gleichnamigen Erzähltheater verarbeitet. Nachdem sie Märchen und Mythen für das Erzähltheater umgesetzt und an dem erfolgreichen Kinderstück „GoiGoi“ mitgearbeitet hat, begann sie im Sommer vergangenen Jahres mit der Arbeit an „Die Erfindung einer Sprache“. Die Figur Battenbach, der als Küchenkapo über Leben und Tod entscheiden kann und trotzdem, wie es Gela Eichhorn formuliert, eigentlich ein armes Schwein ist. Und dann Straat, der sein Leben rettet, dabei aber immer noch Mensch bleibt, schnell hat sie gemerkt, dass sie für diese Geschichte Musik braucht. In Gabriele Kwaschik fand sie eine Musikerin, die fast immer sofort verstand, was sie sich vorstellte. „Ich las ihr ein paar Sätze vor, erklärte was für Musik passen könnte, und dann spielte sie auf dem Klavier ein Thema, das passte.“ Eine Voraufführung fand vor 30 Leuten in der Sternkirche statt. Die Reaktionen waren positiv. Und so entschlossen sich Gela Eichhorn und Gabriele Kwaschik weiter an dem Stück zu arbeiten. Im September kam Detlef Gohlke als Regisseur dazu. Er half ihr, die Dramaturgie zu verbessern, Spannungsbögen aufzubauen und Feinheiten an ihrer Darstellungsweise hervorzuheben. Zweimal wurde „Die Erfindung einer Sprache“ im KunstWerk aufgeführt. Zweimal soll das Stück am kommenden Wochenende im Waldschloss zu sehen sein. Für die Vorstellung am Sonnabend hat sich Autor Wolfgang Kohlhaase angekündigt. Neugierig, was aus seiner Geschichte gemacht wurde. Gela Eichhorn wird dann wohl aufgeregter sein, als bei den anderen Aufführungen. Anmerken lassen wird sie es sich aber sicher nicht. Sie bleibt souverän, wie in diesem Gespräch, als wir uns der, bei Frauen manchmal heiklen Frage nach dem Alter näherten. Als sie ihr Germanistikstudium erwähnte, war dies eine gute Möglichkeit, Fragen nach Biografischem einzuflechten. Doch bevor es dazu kam, ergriff sie selbst die Initiative: „Jahrgang 1960“. So einfach ist das nicht immer. Dirk Becker „Erfindung einer Sprache“ wird heute und morgen, jeweils um 20 Uhr, im Waldschloss, Stahsdorfer Straße 100 aufgeführt. Karten können unter der 0331 974995 reserviert werden.

Dirk Becker

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