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Kultur: Ein paar Nummern zu groß?

Gespräch zur Kulturhauptstadt-Bewerbung im KunstWerk

Gespräch zur Kulturhauptstadt-Bewerbung im KunstWerk Auf dem Wege zum KunstWerk in der Hermann-Elflein-Straße am Dienstag war Potsdam ganz frühlingshaft grün. Am Eingang ein nicht unbekanntes Parteien-Logo „grün wirkt“, dann ein Glascontainer für Grünglas. Du grüne Neune, sollte das so weitergehen? Drinnen ging es weiter. Zur angekündigten Diskussion zwischen der stets sehr gesprächigen Bündnisgrünen Saskia Hüneke und dem stadtvertretenden Moritz van Dülmen in Sachen Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europa 2010 waren grüne Quader aufgestellt, darauf, na klar, eine grüne Mineralwasser-Flasche stand. Eingefunden hatten sich vor allem Vertreter verschiedener Kultureinrichtungen und befreundete Vereine, man kannte sich, Potsdam ist ja nicht groß. Insgesamt kamen 22 Leute, das Stadtfernsehen eingeschlossen, eine runde Zahl. Jürgen Stelter, Referent des Allgemeinen Studienausschusses der Universität Potsdam, moderierte die völlig alternativlose Runde über zwei eher ermüdende Stunden als Frager, bis die ersten Gäste, freiwillig, ins abendliche Grün entfleuchten, KunstStück, soll das ehemalige KunstWerk doch noch in diesem Jahr zu einem studentischen Kulturzentrum umfunktioniert werden. Ziel dieses visionsfreien Abends war es, in eigener Sache die Trommel zu rühren, den Sinn der Kulturstadt-Bewerbung nochmals zu hinterfragen, ohne auf kritische Bemerkungen des Auditoriums zu verzichten, was leicht war, denn der Unmut über die „aalglatte“ Hochglanzbroschüre „Potsdam 2010“ war so groß wie die Regularien bei der offiziellen Übergabe der Bewerbung in der Sanssouci-Orangerie, wo die Offiziellen so fast unter sich blieben. Worte, nichts als Worte bei den feurigen Statements der beiden Solisten zu Anfang. Van Dülmen stellte noch einmal den längst bekannten Sachverhalt dar, warum man sich bewerbe: „Wir sind der ideale Ort, Gedanken reifen lassen“ (bloß welche?), hier seien „alle Voraussetzungen gegeben“, wobei er irgend einen „europäischem Mehrwert“ als Ziel der ganzen Übung meinte, das Wörtchen „Lebensqualität“ im Hochglanz aber wohl vergessen hatte. Bis Juni soll das Produkt noch überarbeitet werden, indem, man höre, die „Winterbilder“ durch „Sommerbilder“ zu ersetzen seien. Man weiß sich jedenfalls nicht allein „gemeinsam auf dem richtigen Weg“, mehr noch: „Wir werfen unsere Schatten voraus“. Peter Schlemihl müsste da vor Neid platzen. Saskia Hüneke lobte zuerst das KunstWerk als Gegenmittel zur „Verspießerung“ der Innenstadt, um dann ganz visionär Visionen zu suchen, welche europaweit strahlen. Aber mehr als die Garnisonkirche als Versöhnungszentrum und „das Loch in der Mitte“ der Stadt fiel ihr dabei nicht ein. Doch: Sie glaubt allen Ernstes, mit dem Zuschlag zur KHST 2010 könne das „aufgeblähte“ Potsdam zwischen Groß Glienicke und Drewitz endlich zusammenwachsen, obwohl das gar nicht zusammen gehört. In Saskia Hüneke scheint es machtvoll zu „dampfen“, ohne das sich viel bewegt. Ihr ist das Entscheidungsgremium für konkrete Planungen (40) zu groß, obwohl alle Kulturträger, auch die Chöre („Ich wundere mich, daß sie nicht hier sitzen“) involviert werden sollen. Wie denn nun? Hoffentlich verdampft da nichts im Grün, ohne jede Alternative. Und ohne Berlin. Überhaupt redete man eifrig aneinander vorbei. Die einen meinten das ausbesserungsbedürftige Bewerbungspaket, die anderen suchten Wege, endlich die Bürgerschaft zu entzünden, zum Beispiel beim Putz vor der eigenen Haustür. Was an diesem netten Abend kontrovers, geschweige denn „grün“ gewesen sein sollte, das wissen die Sterne allein. Anders als in Köln, wo sich unter Elke Heidenreich eine Anti-Bewerbungs-Kampagne bildete, nestelt man in der virtuellen „Kulturhauptstadt“ Potsdam ohne jede Konkurrenz. Ist auch nicht nötig, denn für Moritz van Dülmen liegt „unsere Marketing-Konzeption jetzt in den letzten Zügen“. Das glaubt man ihm gern. Es gibt keine Visionen. Das Präfix „Haupt-„ ist der Kasus knaxus: Als europäische Kulturstadt müsste sich Potsdam nicht bewerben, aber auf ein Jahr gleich „Hauptstadt“ Europas zu sein, mit „modellhaftem Charakter“ für den ganzen Kontinent, das ist ein paar Nummern zu groß. Die Bäume sind doch überall grün. Gerold Paul

Gerold Paul

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