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Kultur: Eine anregende Symbiose

Im Sinne des ostasiatischen Bonkai: TischGärten auf der Freundschaftsinsel von Dorothea Nerlich und Gabriele Holst

„Es ist ganz gleich, ob ein Garten klein oder groß ist. Was die Möglichkeiten seiner Schönheit betrifft, so ist seine Ausdehnung so gleichgültig, wie es gleichgültig ist, ob ein Bild groß oder klein, ob ein Gedicht zehn oder hundert Zeilen lang ist“, schrieb der Dichter Hugo von Hofmannstahl in einem Essay.

Die kleinsten Gärten – TischGärten – haben die Designerin Dorothea Nerlich und die Landschaftsgestalterin Gabriele Holst geschaffen. Zu sehen sind sie derzeit in einem der größten Gärten Potsdams, auf der vorfrühlingshaften Freundschaftsinsel. Da der Pavillon als Ausstellungsraum sich in einen Winterschlaf begeben hat, kam man auf die Idee, Gärten im Inneren zu zeigen, die der Besucher aber von außen betrachten kann. Dazu werden Kopien kleinformatiger Aquarelle ausgestellt: Gartenlandschaften, denen die Klarheit einer Gestaltung fehlt. Aber die Natur ist schließlich voll von überraschenden Momenten. Vielleicht will uns dies der Berliner Landschaftsgestaltungs-Professor Hans-Joachim Schiller mit seinen unstrukturierten Aquarellen verdeutlichen. Schiller hatte jedoch die Idee, TischGärten zu schaffen, die erstmals im Herbst 2006 in einer Berliner Galerie präsentiert wurden.

Anregungen erhielten der Ideengeber, die Künstlerin sowie die Landschaftsgestalterin aus Ostasien. Dort bezeichnet man Gärten, die in einer Keramik-Schale gepflanzt werden, als Bonkai. Den Pflanzen gab man kleine Tonfiguren, Häuser und Brücken hinzu. Eine Mini-Gartenwelt entstand.

Die TischGärten von Dorothea Nerlich, die die Keramik schuf, und Gabriele Holst, die die Pflanzpläne erstellte, wollten „gegensätzliche Aussagen von lebendiger Pflanze und einer bildlichen Erzählung des Ganzen“ erreichen. Sechs TischGärten befinden sich auf der Freundschaftsinsel. Dorothea Nerlich benutzt in ihren keramischen Arbeiten schwarzen und roten, stark schamottierten Steinzeug-Ton. Das Grobe hat die Künstlerin stets in die strukturelle Gestaltung der Gefäße einbezogen. Nie überfüttert sie die Gefäße mit überflüssigem Zierat – so wie man es von ihren meisten Arbeiten kennt. Doch sie sind ohne Monotonie und Verstellungen, weil die Künstlerin ihre Anregung ganz aus der fantasievollen Natur erhält.

Die TischGärten sind von der Größe her sehr tischgerecht. Jeder von ihnen erhielt einen mehr oder weniger poetischen Namen, der die Fantasie des Betrachters zusätzlich anregen soll. Beispielsweise: Der Garten des Herkules. Plattährengras, Frauenhaar- und Hirschzungenfarn wurden in das Gefäß gepflanzt. Dazu kommt der lange Stiel einer Herkulesstaude, dessen Strukturen mit dem Steinzeug kommunizieren. Oder: Der Garten des Hühnergottes. In ihm konzentrierten sich Gabriele Holsts Pflanzungen auf Phyllo-Kakteen und Saxifraga. Quarzsplitt, Seesand, zwei Flusskiesel ergänzen den TischGarten aus schwarzem Steinzeug. Und an einem der drei Splittstäbe hängt ein einsamer Hühnergott.

Kunst und Natur erreichen in diesen TischGärten eine spannungsvolle Verdichtung, eine anregende Symbiose. „Unermessbar sind die Schönheiten auch in dem kleinsten Gartenraum“, stellte Hugo von Hofmannstal fest.

Bis Ende Februar im Pavillon auf der Freundschaftsinsel.

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