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Kultur: Ernüchternde Bläsereien in Friedenskirche Benefizkonzert: „Die Klarinette in Preußen“

Warum halten Hornisten immer ihre rechte Hand in den Schalltrichter? „Zum Wärmen kaum“, erläutert verschmitzt Naturhornist Stephan Katte dem wissbegierigen Publikum.

Warum halten Hornisten immer ihre rechte Hand in den Schalltrichter? „Zum Wärmen kaum“, erläutert verschmitzt Naturhornist Stephan Katte dem wissbegierigen Publikum. „Mit Bewegungen der geballten bis geöffneten rechten Hand wird die Naturtonreihe ausgetrickst, so dass mehr Töne als möglich möglich sind.“ Aha. Der Kenner ist verblüfft, der Liebhaber naturbelassener, sprich: authentischer Töne nicht minder. Solche verbalen Auskünfte zu ihren Instrumenten werden allen Mitgliedern des Ensembles „Die musicalische Versammlung“, das für 2005 den jährlich wechselnden Ehrentitel Rheinsberger Hofkapelle (vergeben von der dortigen Musikakademie) tragen darf, abverlangt. Doch im Mittelpunkt des musikalischen Geschehens steht nicht das Horn, sondern die „Klarinette in Preußen“. Wobei in der historischen Rheinsberger Hofkapelle von Kronprinz Friedrich selbiges Instrument noch gar nicht vertreten war - weil noch nicht erfunden. Erst 1766 tauchen zwei Klarinettisten im Etat der preußischen Hofkapelle in Berlin auf. Mit ihrem Auftritt in der Friedenskirche bestreitet „Die musicalische Versammlung“ auf Einladung der Potsdamer Clubs der Soroptimistinnen, Lions und Rotarier das 3. Benefizkonzert zugunsten des jüdischen Integrationskindergartens in der Kita „Märchenland“. Zwanzig Sprösslinge sind''s, die dort seit einem Jahr ihre jüdische Identität ausleben und die deutsche Sprache erlernen können. Da sie nicht im Umfeld der Kita, sondern in der Stadt verteilt wohnen, gibt es ein Transportproblem. Es zu lösen, will das Spendenkonzert mit helfen. Die Musik öffnet dazu die Seelen und die Geldbörsen. Es erklingen Werke von Komponisten des 18./19. Jahrhunderts, darunter solche unbekannten wie Bernhard Hendrik Crusell oder Paul Struck. Deren „Concert-Trio“ für Klarinette (Annette Thomas), Horn und Fagott (Christian Seidel) respektive „Grand Duo für Fortepiano unter Begleitung einer Klarinette“ entpuppen sich als gefällig-galante Stücke von zu recht vergessenen Tonsetzern. Das Tasteninstrument offenbart sich dabei als ein Hammerflügel Wiener Bauart, auf dem Sebastian Knebel u. a. eine C-Dur-Fantasie aus einer anonymen „Sammlung für Kenner und Liebhaber“ spielt. Diese empfindsame Piece ist wenig originell, eher bemüht naiv verfertigt und wird entsprechend vorgetragen. Auf der Kopie einer historischen Oboe bläst Katharina Bäuml die Parts im Es-Dur-Quartett von Carl Stamitz und im jagdflairfrischen Trio von Johann Gottlieb Graun. Doch nicht alles historisch Nachgebaute, auf dem Noten zum halbwegs authentischen Klingen gebracht werden sollen, erfreut die Sinne. Dass sich die alten Instrumente ob ihrer intonatorischen Defizite gottlob weiter entwickelt haben, wird einem beim Hören dieser oftmals „schrägen“ Klänge überdeutlich hörbar. Oder ist“s einfach nur das noch nicht perfekt entwickelte Können der jungen Instrumentalisten, finessenreich den Imponderabilien zu trotzen?! So werden es, trotz merklicher Spielfreude und engagierten Zusammenspiels, oftmals ernüchternde (Klang-)Vorstellungen von Bläsereien im historischen Rezeptionssound. Aus dem Einerlei hebt sich Mozarts Es-Dur-Quintett KV 452 wohltuend hervor. Wohl auch deshalb, weil das musikalische Material im Gegensatz zum Voraufgegangenen überaus gehaltvoll ist. Was wiederum „Die musicalische Versammlung“ zu überzeugender Gestaltung herausfordert. Der zarte, farbenreiche Ton des Hammerflügels gibt dem Dialogisieren mit den Bläsern die rechte Würze. Das Ohr ist entzückt. Die Hände sparen nicht mit Beifall. Peter Buske

Peter Buske

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