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Kultur: Erste Geige, aufrechter Bass

Debüt für den Nachwuchs: Die Junge Philharmonie und das LaJJazzo treten gemeinsam in Berlin auf

Mehrere Stücke hatte sie für das Vorspielen vorbereitet. Aber dann wollte die Jury gar nicht alles hören. „Ich musste nur noch verschiedene Stricharten und Rhythmen zeigen. Das dauerte alles kaum fünf Minuten“, sagt Alexandra Buchmüller. Sie war sehr aufgeregt. Dann ging sie zum Auswertungsgespräch und hörte den tollen Satz: „Willkommen in den ersten Geigen!“

Das war im Oktober, als sich die erst 13-jährige Potsdamer Schülerin bei der Jungen Philharmonie Brandenburg bewarb. Hier spielen die besten Nachwuchsmusiker, derzeit etwa 200 aus ganz Brandenburg. Viele von ihnen haben lange an Musikschulen gelernt und studieren anschließend Musik. Alexandra gehört jetzt zu den jüngsten Orchestermitgliedern. Und wird am Wochenende ihre ersten richtig großen Konzerte spielen. Die Junge Philharmonie gestaltet am Samstag das Neujahrskonzert der Berliner Awo in der Philharmonie Berlin und tritt am Sonntag im Konzerthaus am Gendarmenmarkt auf.

Dass sie auf Anhieb in den ersten Geigen landete, findet Alexandra großartig. Denn die haben in der Regel hellere und melodischere Parts zu spielen. Genau das ist es, was sie an der Violine mag. Zweite Stimme, Bratsche oder gar Cello – nein, das wäre nichts für sie. Immer schon war die Violine ihr Wunschinstrument. Mit drei Jahren schickte sie die Mutter zu einem Kurs musikalische Früherziehung, und als sie in der ersten Klasse war, wollte sie eine Geige haben. Die bekam sie auch, eine Viertelgeige, die kleinste Größe für kleine Arme. „Meine Eltern haben mich immer unterstützt“, sagt sie. Heute spielt sie auf einem Instrument, das sie sich persönlich bei einem Geigenbauer in Markneukirchen im Vogtland, traditionsreicher Standort für Musikinstrumentenbau, aussuchte. Die Violine kostete so viel wie ein Mittelklassewagen. Eine Investition, denn mittlerweile ist längst klar, dass sie Musik studieren wird. Deshalb lernt sie nun auch Klavierspielen, als Zweitfach. Geigenunterricht hat sie seit Kurzem bei einer Professorin in Berlin. Zwei Stunden täglich übt sie, am Wochenende meistens mehr. Dazu kommen Proben im Orchester der Musikschule und einem Trio – und nun auch mit der Jungen Philharmonie.

Und dann wäre da noch die Schule, Alexandra besucht eine achte Klasse am Helmholtz-Gymnasium. Kein Problem, sagt Alexandra, es läuft gut. Nach dem Abi möchte sie studieren, am liebsten im Ausland, vielleicht Amerika, mal sehen, sagt sie lächelnd. Sie ist ja jetzt schon sehr selbstständig, gerade hat sie an ihrem ersten Probencamp mit dem neuen Orchester teilgenommen – in Frankfurt/Main. Eine Woche lang Jugendherbergsfeeling, viel Musik, ein Opernbesuch auf besondere Einladung ihres Dirigenten Sebastian Weigle, der Generaldirektor der Oper Frankfurt ist. Silvester feierten alle zusammen am Main-Ufer. Und natürlich gab es viele Proben, Registerproben, Tuttiproben, für Alexandra ganz normales Vokabular. Alle Neuen wurden extra vom Orchester begrüßt, seitdem ist sie voll dabei.

Neben all der Musik findet sie sogar noch Zeit für Freunde und Kinobesuche. Ihr Traum: Einmal Stargeiger David Garrett treffen. Der spiele auch moderne Stücke, das findet sie interessant. „Und er hat so einen schönen Klang und Ausdruck in seiner Art zu spielen.“

Die anstehenden Konzerte – Tänze von Komponisten aus Spanien, Lateinamerika, den USA, Russland und Armenien und eine jazzige Version der Nutcracker-Suite – gestaltet die Philharmonie zusammen mit dem Landesjugendjazzorchester. Das LaJJazzo gehört ebenfalls zu den bekannten Nachwuchsensembles, etwa 25 Jugendliche spielen hier unter der Leitung von Jiggs Whigham, renommierter Posaunist, Dirigent und Big-Band-Experte aus den USA, der seit Langem in Deutschland lebt. Er hat das LaJJazzo maßgeblich geprägt, ein Grund, warum es so erfolgreich sei und sie nicht über Mitgliederschwund klagen können, sagt Victor Gelling. Der 18-Jährige aus Kleinmachnow rutschte vor Kurzem aus dem Junior-Ensemble auf und spielt nun Kontrabass im LaJJazzo. Er ist erst relativ spät zur Musik gekommen. Mit 13 Jahren entdeckte er zunächst die Beatles, dann den Jazz. „Da war alles klar“, sagt er heute. Er kaufte sich einen E-Bass und wenig später einen Kontrabass. Der echte Jazzer spiele aufrecht und akustisch, das sei eine Stilfrage und eine Frage des Klangs. Auch das beste Elektroinstrument, selbst ein großer E-Kontrabass, könne den Klang eines Akustikbasses nicht kopieren. Elektronik-Instrumente seien gut zum Üben, sagt Victor Gelling. Aber die aus Holz sind ihm lieber. Mehrere Tausend Euro hat er für seinen hingeblättert. Und sich vor Kurzem ein eigenes Auto gekauft, weil er mittlerweile doch oft unterwegs ist und mit seinem eigenen kleinen Ensemble, das nur Victor-Gelling-Kompositionen spielt, viele Muggen hat. „Ich kann damit ganz gut Geld verdienen, es funktioniert“, sagt er. In diesem Jahr will er am Kleinmachnower Weinberg-Gymnasium sein Abi machen und dann studieren, Bass und Jazz. Am liebsten in Berlin. „Hier ist die Jazzszene.“

Die Musik zu beschreiben fällt ihm schwer. Man muss sie einfach machen, man muss sie spüren, im Miteinander mit der Band und im Kontakt mit dem Publikum. Jedes Konzert ist anders, auch weil zum Jazz das Improvisieren gehört. Was nicht heißt, dass es keine Noten gibt. Sonst würde auch ein Zusammenspiel mit einem Klassikorchester nicht funktionieren. Man muss sich allerdings auf einen Dirigenten einigen, sagt er. „Die haben ja eine komplett unterschiedliche Zeichensprache. Ein Klassiker dirigiert eher traditionell, ein Big-Band-Leader läuft auch mal fingerschnippend und nickend vor dem Orchester hin und her.“ Dieses Mal wird Whigham diesen gemeinsamen Part übernehmen und 90 Junge Philharmoniker und 25 Jazzer leiten. Er freue sich auf die großen Bühnen, sagt Victor Gelling, das sei auch für ihn noch etwas Besonderes. Gegen eventuelle Aufregung hilft – Musik. „Wenn ich auf die Bühne komme, ist mir alles andere egal, dann gibt es nur noch Musik.“

Konzerte am morgigen Samstag um 14 Uhr in der Philharmonie Berlin, Restkarten an der Abendkasse. Am Sonntag um 18 Uhr im Konzerthaus Gendarmenmarkt. Karten auf www.konzerthaus.de und an der Abendkasse

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