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Kultur: Extrovertierte Individualisten

Benefizkonzert für die Orgel in der Sacrower Heilandskirche

Benefizkonzert für die Orgel in der Sacrower Heilandskirche Die drei Sichtachsen vom Schloss Sacrow zum Flatowturm, Jägerhof und Potsdam muss man nicht erst mühsam suchen. Als Schneisen sind sie längst wieder hergestellt, geben den Blick in das Weichbild der Landeshauptstadt ungehindert frei. Familien lagern am Schilfgürtel, picknicken unter frisch begrünten Eichen. Vollbeladene Ausflugsdampfer ziehen hupend vorbei, Paddler gleiten geräuschlos durch die Fluten. Ein sommerlicher Sonntagnachmittag wie aus dem Bilderbuch. Auch viele Touristen finden den Weg in die Sacrower Heilandskirche zu einem weiteren Benefizkonzert zugunsten der wieder zu errichtenden Orgel. Zwei Drittel der benötigten Summe von 190000 Euro sind bereits beisammen, der Rest muss weiterhin mühsam eingesammelt werden. Eine ältere Dame aus Kladow hat bereits über 300 Euro gespendet. „Hoffentlich erlebe ich die Vollendung der Orgel noch“, ist ihre Hoffnung. Der Verein Ars-Sacrow e.V. tut sein Möglichstes. Und baut auf das abgewandelte Bibelwort: Wem das Herz voll ist, dem geht das Portmonee bereitwillig auf. Als Mittel zum Zweck stellen sich vier Mitglieder der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker in den Dienst der guten Sache. Und spielen zwei Streichquartette von Ludwig van Beethoven, die ihnen der philharmonische Mentor, Cellist Jan Diesselhorst einstudiert hat. Dabei schlagen auch sie, voll des jugendlichen Charmes und der schier überbordenden Forsche, wie forstwirtschaftliche Facharbeiter Sicht- und Hörschneisen durch den (Noten-)Park. Elsa Brown und Anna Gebert (beide Violine), Ernst-Martin Schmidt (Viola) und Inga Raab (Violoncello) huldigen einer gestochen klaren Tonbildung, mit der sie die Hörer in betont antiromantische Gefühlswelten entführen. Ein wenig kühl weht dort der Wind; kristallen und mitunter spröde klingt das Schwingen der Saiten. Frohgemut und frisch, gleichsam spielerisch beginnen sie den Dialog im Streichquartett B-Dur op. 18 Nr. 6 an. Das Hauptthema weitet sich zum Frage-Antwort-Spiel zwischen erster Geige und Cello. Die hinzutretenden Instrumentalisten erweisen sich im Disput ebenfalls als gleichberechtigte, jedoch sehr extrovertierte Individualisten unter forscher (An-)Leitung der Primaria. Die Vier sitzen in der Apsis. Deren Akustik verschärft den druckvoll erzeugten Ton im Fortissimo zu unschöner Schärfe. Verhalten spielen sie das Adagio, gehen sparsam mit Vibrato um. Dadurch wird der Klang hell und leicht, manchmal fast zerbrechlich. Danach geht es temperamentvoll bis rasant weiter, weiß das Quartett mit betont zur Schau gestellter Brillanz zu überraschen. Doch auch expressiver Ausdruck gehört zum gestalterischen Handwerkszeug der selbstbewusst aufspielenden Musiker. Nicht weniger radikal und kompromisslos geht es im Streichquartett e-Moll op. 59 Nr.2 zu, dem zweiten aus der Trias der Rasumowsky-Quartette, gewidmet dem russischen Botschafter am Wiener Hof. Spielerische Leichtigkeit ist nun erregter, ausdrucksvertiefter Leidenschaft gewichen. Zerrissen, fast ruppig hört sich das einleitende Allegro an, in dem die Musiker die Skala der Dynamik extrem weit ausreizen. Man horcht gleichsam in die Partner hinein, findet im Adagio zu entsagungsvollem bis schmerzzerfurchtem Ausdruck. Im Trioteil klingt ein russisches Thema auf, Reverenz an die Herkunft des Widmungsträgers. Im dramatischen Gerangel des Allegretto und Presto werden hohe Ansprüche an die Virtuosität und das komplexe Miteinander der vier Partner gestellt. Vielen ist darob das Herz voll – und so füllt sich das Sammelkörbchen rasch mit Scheinen.Peter Buske

Peter Buske

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