zum Hauptinhalt

Kultur: Frauen stehen ihren Mann

Komponistinnen des Barock im Raffaelsaal

Komponistinnen des Barock im Raffaelsaal Es ist heute wie damals: um sich beruflich durchzusetzen und zu behaupten, müssen Frauen bei gleicher Profession weitaus besser sein als Männer. Nicht jede talentierte Tonsetzerin vermag diesem Druck standzuhalten. Nur wenige schaffen es, sich als selbständige Unternehmerinnen in der männerdominierten Musikszene zu behaupten. Damals wie heute. Ein Thema also für die Musikfestspiele, die in dieser Saison der holden Weiblichkeit ihre ganze Aufmerksamkeit schenken. Zu denen, die im Paris des 17. Jahrhunderts hohes Ansehen und Wohlstand erlangen, gehört Elisabeth-Claude Jacquet de la Guerre (1665-1729). Was von ihr und Kolleginnen aus anderen Ländern auf uns gekommen ist, erklingt im Musikfestspiel-Angebot „donne barocche“, das sich im Raffaelsaal als eine faszinierende Entdeckungsreise zu Komponistinnen des Barock entpuppt. Madame Jacquet de la Guerre ist dabei mit drei Sonaten für Violine (in einfacher oder doppelter Besetzung) vertreten. Sie hören sich durchweg originell an. Obwohl sie alle gleicher Satzfolge huldigen, bleibt es immer abwechslungsreich, was musikalischen Gehalt und Verlauf betrifft. Dass an diesem Eindruck das Ensemble „Bizzarrie Armoniche“, Kenner und Könner der historisierenden Spielweisen, erheblichen Anteil hat, versteht sich. Unter musikalischer Anleitung der Continuo-Cellistin und dezenten Einsatzgeberin Elena Russo verbreiten sich Klänge voller Galanterie, Charme und Esprit. In Stefano Barneschi steht ein geigensolistischer Sachwalter zur Verfügung, dessen glanzvollem Ton jegliche Sprödigkeit oder vibratolose Schärfe fehlt. Auch in der d-Moll Sonate für Violine solo von Isabella Leonarda (1620-1704) zelebriert Barneschi keine Theorie, sondern gibt sich lebendigem und lustvollem Musizieren hin. Innig erblühen die langsamen Sätze – als Ausdruck von femininer Kompositionsmanier? Dem rhetorisch geschliffenen und emotionsgeladenen Anwalt steht Partnerin Liana Mosca ihm Bemühen um einen schönen, warmen und runden Geigenton in nichts nach, wie sich“s in Jacquets D-Dur-Duosonate eindrucksvoll belegt. Die weiteren Continuisten Franco Pavan (Laute) und Salvatore Carchiolo (Cembalo) assistieren das musikalische Geschehen nicht weniger imponierend. Zum hinreißenden Erlebnis wird jedoch die Sangeskunst der Sopranistin Roberta Invernizzi, die in drei kontrastreichen Arien von Antonia Bembo Padovani (1643-1715) von Liebeskummer kündet. Mit überaus schöner, makellos geführter Stimme voller Dramatik, geschmeidiger Zwischentöne und fein abgestufter Farben. Für jede Arie hat sie ein besonderes Timbre parat. Gebannt folgt der Kenner und Liebhaber schöner Stimmen dieser staunenswerten, höhensicheren Stimmbandartistik, der es an zuverlässig beherrschten Pirouetten und Volten, an imposanten Sprüngen und Spagaten nicht mangelt. Und dann erst ihr betörendes Pianissimo! Das setzt sie auch in Stücken der Venezianerin Barbara Strozzi (um 1619 bis um 1677) verschwenderisch ein: im Lamento „Sul Rudano severo“ (An der grausamen Rhone) und in der Serenata „Hor che Apollo e a Theti in seno“ (Nun da Apoll in Thetis'' Armen ruht). Mühelos wechselt sie die Stimmungen – eine Amazone des Singens. Dass die Arien nicht der Dacapo-Form folgen, gehört mit zu den tonsetzerischen Besonderheiten der Komponistinnen. Welcher männliche Klangerfinder hätte sich damaligen Konventionen so aufmüpfig widersetzen wollen? Sind Frauen doch die besseren Männer?Peter Buske

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false