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Florentine Joop (r.) und Tanja Selzer haben beide in Hamburg an der Fachhochschule für Gestaltung studiert.

© Richard Rabensaat

Frauen und coole Märchen: Joop und Selzer in der Potsdamer Galerie Schindler

Im Zentrum der beiden Künstlerinnen stehen Frauen- und Mädchenfiguren. Dass es zu einer gemeinsamen Ausstellung gekommen ist, ist auch einem Algorithmus zu verdanken.

Von Richard Rabensaat

„Coole Kinder kennen Märchen“, behauptet Florentine Joop. In der Galerie Schindler, Charlottenstraße, Potsdam. Zusammen mit Tanja Selzer zeigt sie dort neue Bilder. Während Selzers Malerei mit Öl auf Leinwand stattfindet, malt Joop Bilder in einer wasserbasierten Mischtechnik. „Das sind aber keine Acrylfarben. Ich will nicht noch mehr Plastik in die Welt bringen“, konstatiert Joop. Beide Künstlerinnen haben in Hamburg an der Fachhochschule für Gestaltung studiert, allerdings nicht gleichzeitig. Entdeckt haben sie ihren gemeinsamen Ausbildungsgang eher zufällig.

Die künstlerischen Grundlagen die an der Fachhochschule vermittelt wurden, Zeichnung, Farbenlehre, Aktstudium waren für beide der Anlass, nicht auf einer reinen Kunstakademie zu studieren. Für Joop war das Studium der Ausgangspunkt für vielgestaltige künstlerische Aktivitäten. Bühnenbilder, Kinderbücher, Workshops, mit ihrer Kunst deckt sie den ganzen Spielraum kreativer Möglichkeiten ab. Dass sich die beiden Künstlerinnen kennen und schätzen gelernt haben, verdanken sie, trotz des gemeinsamen Studienortes, einem Algorithmus.

Gemeinsamkeiten in den Werken

„Auf einmal tauchten die Bilder von Tanja in mein Verlauf auf einem sozialen Medium auf. Das fand ich hochspannend“, erinnert sich Joop an den ersten Kontakt. Als Selzer dann eine Ausstellung in Potsdam hatte, wo auch Joop seit 2016 wohnt, wollte sie die Kollegin unbedingt kennenlernen, was gelang. Die beiden waren sich nicht nur sympathisch, sondern fanden auch gegenseitig in ihren Werken Gemeinsamkeiten die nun in der Ausstellung bei Schindler zu besichtigen sind. Im Zentrum des beiderseitigen Werkschaffens stehen Frauen- und Mädchenfiguren.

Während sich Joop dabei an Märchenerzählungen orientiert, bezieht Selzer ihre Inspiration aus dem Internet und dort vorgefundenen Abbildungen unbekleideter Körper. Diese löst Selzer allerdings aus dem ursprünglichen Bildzusammenhang, der nicht selten aus Pornos stammt, und versetzt die Körper meist in eine Naturszenerie. Ausgelassen am Meer tobend wirbeln Kleider und Tücher der Abgebildeten über die Leinwand. Selzers Bilder lassen gelegentlich eine Nähe zum Impressionismus erkennen. Joops Bilder sind thematisch vieldeutig. Rotkäppchen habe sie zu einem Bild inspiriert, auf dem ein Wolf und ein Mädchen zu sehen ist, so Joop.

Künstlerinnen Florentine Joop orientiert sich an Märchenerzählungen.

© Richard Rabensaat

Ob der Wolf nun die Hand des Mädchens blutig verzehrt oder die Reste der schon verspeisten Großmutter zerfleischt, wird auf dem Bild nicht eindeutig formuliert. „Im Märchen ist letztlich alles supermoralisch. Das Gute siegt und die Prinzessin wird geheiratet“, weiß Joop. Religion, Zeitgeschehen, alles finde sich im Märchen wieder. Die Mutter von vier heranwachsenden Kindern liest und bespricht nicht nur mit den eigenen Kindern Märchen, häufig die der Gebrüder Grimm. In Workshops an Schulen thematisiert sie die Rollenbilder- und Klischees, die sich in Märchen finden und regt die Schüler an, sich kreativ mit Zeichnungen und Texten damit auseinander zu setzen.

„Meist verlaufen die Diskussionen in ähnlichen Bahnen, es gibt Strukturen, die immer wieder in den Workshops auftauchen,“ hat sie erkannt. Eine intensivere Auseinandersetzung mit den Gebrüdern Grimm hat ihr gezeigt, wie wichtig der kulturelle Hintergrund ist, auf dem eine Geschichte entsteht. Das habe sie dazu geführt, sich selbst ebenfalls zu befragen, wie Märchen ihrer Kindheit und die Umgebung, in der sie in Hamburg aufgewachsen ist, sie geprägt haben.

Florentine Joop geht einen eigenen Weg

„Ich bin total die Tochter von Wolfgang Joop“, bekennt sie sich zu ihrem prominenten Familienvater, der ebenfalls in Potsdam lebt. Mit ihrer Malerei allerdings geht sie einen eigenen Weg, abseits der Modeszene. Die Arbeit mit Kindern an Schulen sei ihr wichtig, dort bestehe die Möglichkeit, schon früh zu zeigen wie wichtig die kreative Auseinandersetzung mit der Welt sei.

Mama, du kannst einfach keine Ärsche malen.

Der 15-jährige Sohn von Tanja Selzer

Im Gleichklang mit den Bildern von Joop schwingen die Werke von Selzer. Dennoch setzt diese einen anderen Akzent mit einer Konzentration auf die Verbundenheit der ursprünglichen, nackten Körper mit der Natur. Manchmal abgebildete Tattoos verorten die Dargestellten ganz im heute. Dennoch unterscheidet sich der Blick der Künstlerin auf den unbekleideten weiblichen Körper von dem ihrer männlichen Kollegen. Auf den Bildern findet sich nicht die verführerische, lasziv posierende Femme Fatale, sondern Frauen, die sich ihrer Körperlichkeit bewusst sind und sich aktiv und frei in der Natur bewegen.

Kritische erste Beobachter ihrer Bilder sind allerdings auch bei Selzer ihre heranwachsenden Kinder. Der Kommentar: „Mama, du kannst einfach keine Ärsche malen,“ ihres 15-jährigen Sohnes, schockte Selzer zunächst ziemlich. Versöhnt war sie allerdings, als sie entdeckte, dass ihre Kinder trotz Unzufriedenheit mit der Anatomie der Abgebildeten das Werk ihrer Mutter stolz in sozialen Medien posteten.

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