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Beethoven im Havelschlösschen: Frühlingsstürme

Streichquartette von Beethoven auf Originalinstrumenten - das gab es im Kammermusiksaal Havelschlösschen.

Nicht laue Lüfte, sondern heftige Frühlingsstürme rauschten durch den schönen Kammermusiksaal im Havelschlösschen in Potsdam Klein Glienicke. Streichquartette von Beethoven erklangen, gespielt vom Schuppanzigh Quartett auf Originalinstrumenten aus der Beethovenzeit. Angekündigt war ein Quartett Opus 24, rätselhaft zunächst, denn ein solches existiert nicht. Wie Primarius Anton Steck erklärte, handelt es sich um die Quartettversion von Beethovens weltberühmter Frühlingssonate, die er auf dem Speicher eines Klosters in Süddeutschland gefunden hat.

Kein geringerer als Beethovens Freund Ignaz Schuppanzigh habe diese Version im Jahr 1816 in Wien gespielt. Nun denn, man war gespannt einmal die Frühlingssonate, ein besonders lyrisches und anmutiges Werk für Violine und Klavier, auf solche Weise zu hören. Doch sie war kaum wieder zu erkennen. Aus einem beschwingten Leichtgewicht wurde ein Schwergewicht sondergleichen. Erste und zweite Violine (Anton Steck, Franc Polman) spielten die Oberstimmen, während Viola (Christian Goosses) und Violoncello (Werner Matzke) hier für die Begleitung zuständig waren. Von Anfang an bestürmten raue, fast ruppige Töne den Zuhörer bei kräftiger, kaum differenzierter Lautstärke. Selbst das einer Pastorale ähnelnde Adagio wirkte mit bogenspitzen und saitenbrummeligen Klängen nicht gerade ätherisch,empfindsam oder gar gemäß Beethoven „molto espressivo“. Es ist halt so eine Sache mit der sogenannten historischen Aufführungspraxis. Schon der Begriff führt in die Irre, denn keiner kann sagen, wie damals ein Duo, Trio oder Quartett geklungen hat.

Heutige Interpreten sind auf Angaben aus Lehrbüchern oder auf Beschreibungen angewiesen. So nannte der junge Mozart die Geige eines Freundes wegen ihres vollen und sanften Tons „Buttergeige“. Doch davon konnte an diesem Abend keine Rede sein, erst Recht nicht bei Beethovens Streichquartett Op. 18 in F-Dur in der ersten Fassung, die laut Anton Steck nicht so geglättet sei wie die spätere, bekanntere Version. Immerhin wurde nun deutlich, wie bewusst Beethoven die Klang-Merkmale der vier Streichinstrumente eingesetzte und daraus originelle, überzeugende Tonbildern formte. Im Kontrast zur etwa gleichzeitig mit der Frühlingssonate entstandenen Komposition begegnen jedoch vulkanische, dramatische und leidenschaftliche Klänge. Der erste Satz mit seinem knappen Motiv und abruptem Duktus zeigt sich wie aufgescheucht, doch nicht recht durchgearbeitet. Erregt schrauben sich die Tonleitern hinauf und hinunter, unterbrochen von ächzenden Bogenstrichen aller gemeinsam. Die Violine tönt wie Nadelstiche und das Cello fast wie Paukenschläge im ingeniösen, ernsten, schmerzlichen zweiten Satz. Indessen kommen der stark motorische Gestus im Scherzo und der wirbelnde Aufruhr im Final-Rondo der spezifischen Spielart des Schuppanzigh Quartetts sehr entgegen. Dafür gab es im voll besetzten Saal starken Beifall von den Zuhörern und natürlich auch von Tilman Muthesius, dem einfallsreichen spiritus rector dieser einzigartigen Konzerte im intimen Rahmen des Havelschlösschens.

Babette Kaiserkern

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