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Die Lederjacke. Autor Alexander Kühne in der Ausstellung des HBPG.

© Andreas Klaer

Alexander Kühnes „Düsterbusch City Lights“: Frust im Dorf

Gerade hatte es ein Roman über Jugendliche in der DDR auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis geschafft. André Kubiczeks „Skizze eines Sommers“ spielt 1985 in Potsdam.

Gerade hatte es ein Roman über Jugendliche in der DDR auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis geschafft. André Kubiczeks „Skizze eines Sommers“ spielt 1985 in Potsdam. Zur gleichen Zeit findet in einem Dorf in der Lausitz eine seltene Aufruhr statt. Junge Leute erfrechen sich dort, selbstbestimmt die Musikszene aufzumischen. Einer von ihnen ist damals Alexander Kühne. Jetzt hat er seine Erinnerungen in ein Buch gepackt. Am Mittwochabend stellte er „Düsterbusch City Lights“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) vor. „Die DDR ist jetzt schon weit weg, aber manches muss man heute doch endlich mal klären, ohne moralisch sein zu wollen, einfach wie es eben so war damals. Es lohnt sich“, sagte der Autor. Auch er selbst brauchte den Abstand, in den 1990ern hätte er das Buch nicht schreiben können. „Da dachte ich – wen interessiert das?“

Tatsächlich eine ganze Menge Leute. Ein Teil der Zuhörer hatte dem Alter nach die Zeit selbst als Jugendliche erlebt, aber auch eine 12. Klasse aus Kleinmachnow saß im Saal. Deshalb wurde nicht nur vorgelesen, sondern auch viel geredet und erklärt, DDR-typische Begriffe wie IM, Spielerlaubnis, Einstufung oder das Prinzip der Ordnungsstrafen für illegale Veranstaltungen. Unvorstellbar heute, dass es damals nicht möglich sein sollte, ein Rockkonzert auf die Beine zu stellen.

Das denkt sich Mitte der 80er auch Alexander Kühne, der im Buch Anton Kummer heißt. Er wohnt in einem Dorf bei Finsterwalde und träumt davon, die große Welt in die Provinz zu holen. So viele Punk-Rockkonzerte zu veranstalten, dass eines Tages am Horizont Hochhäuser stehen würden – „Düsterbusch City Lights“. Er holt angesagte Untergrund-Bands, die Kotzgrenze, Die Art, Feeling B oder Sandow heißen, ins Dorf. Zu denen reisen Hunderte Besucher aus der ganzen Republik an und saufen den Kneiper reich. „Aber am Sonntag waren die dann alle wieder weg und ich saß allein mit meinen Eltern im Wohnzimmer“, sagte Kühne gestern. Deshalb die Vision der Weltstadt. Ansonsten ist Anton genau wie Alexander ein normaler Schüler mit Liebeskummer und dem Frust gelangweilter Dorf-Teenager. Politische Pläne hat er keine. Auch er selbst, sagt Kühne, wollte weder raus aus der DDR, noch wie die Grünen, deren Gründung im Osten beobachtet wurde, die Umwelt retten. „Ich wollte nur Musik machen. Und das System ignorieren.“

Aber das System ignoriert ihn nicht. Spätestens beim Sichten seiner Stasiakte findet er heraus, dass es mehrere IMs in seinem Umfeld gab. Wie er immer mehr mit dem System zusammenprallt, verhaftet, von seiner Mutter aus dem Knast geholt wird und nach der Wende dann doch die Schnauze voll hat vom Dorf, davon erzählt das Buch. Heute lebt Alexander Kühne in Berlin. Mit Potsdam verbindet ihn ein Exponat im Museum im HBPG: Dort werden Fotos und seine alte Punk-Lederjacke ausgestellt.

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