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Kultur: Für die „Ewigkeit“ gebaut

Urania-Vortrag von Aribert Kutschmar: Architektur der Kaiserzeit

Urania-Vortrag von Aribert Kutschmar: Architektur der Kaiserzeit Das 1902 bis 1907 errichtete Potsdamer Regierungsgebäude, das jetzt als Rathaus dient, ist wie für die „Ewigkeit“ gebaut. Bis heute weisen Mauerwerk und Fassade kaum Schäden auf, wurde keine grundlegende Sanierung erforderlich. Gleiches kann für andere Bauten aus der von 1871 – 1918 währenden Kaiserzeit wie die Hauptpost, den Rechnungshof in der Dortustraße oder mehrere Kasernen festgestellt werden. Nie wurde in Deutschland so viel, so prunkvoll und aus solch solidem Material gebaut wie ab 1871, als der preußische König Wilhelm I. den Kaiserthron bestieg. Das erklärte Aribert Kutschmar in einem Vortrag, mit dem die URANIA ihre Reihe zur Architekturgeschichte fortsetzte. Zugute kamen dem beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung die hohen Kontributionen, die nach dem Krieg 1870/71 dem geschlagenen Frankreich abgepresst wurden. Soweit sie nicht im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, stehen all die Gebäude noch und werden ihrer soliden Bausubstanz wegen neu genutzt. Dafür stellen die Potsdamer Kasernen ein Musterbeispiel dar. Ob wir die teils pompösen Bauten schön finden sei dahingestellt. Sie bestimmen jedoch nach wie vor vor allem das Berliner, aber auch das Potsdamer Stadtbild mit. Von der Romanik bis zum Klassizismus wurde auf alle möglichen Architekturstile zurückgriffen, beim Rathaus Babelsberg beispielsweise auf die Norddeutsche Backsteingotik und bei Schloss Cecilienhof auf den englischen Landhausstil. Selbst bizarr anmutende Stilmischungen waren nicht selten, so bei der jetzt vom Landtag genutzte Kriegsschule auf dem Brauhausberg. Kutschmar ging der Frage nach, inwieweit die Kaiser persönlich auf die Architektur ihrer Zeit Einfluss nahmen. Wilhelm I., auch wenn er Schloss Babelsberg nach seiner Thronbesteigung vergrößern und repräsentativer gestalten ließ, hielt sich da weitgehend heraus. Er ließ vornehmlich Vorhaben vollenden, die sein künstlerisch hochbegabter Vorgänger und Bruder Friedrich Wilhelm IV. begonnen hatte. Friedrich III., der sich als Kronprinz für den Sakralbau, u.a. die Dorfkirche in Golm engagierte, konnte 1888 in den nur 100 Tagen Regierungszeit bis zu seinem Tode die Architekturentwicklung nicht beeinflussen. Leider stellte Kutschmar die Zäsur nicht klar genug heraus, die im selben Jahr mit der Übernahme der Macht durch den jungen, ehrgeizigen Wilhelm II. gesetzt wurde. In der vorigen Saison war im Neuen Palais eine Ausstellung über das letzte unter ihm errichtete Kaiserschloss in Poznan (Posen) zu sehen. Hier hatte Wilhelm von der Architektur bis zum ikonographischen Programm alle wichtigen Fragen bis ins Detail bestimmt, um den Bau zu einer deutschen „Zwingburg im Osten“ zu machen. Dazu fand er in Franz Schwechten einen Architekten, der auf alle seine Intentionen einging. Auf der Großen Berliner Kunstausstellung von 1913 gab es eine Sonderabteilung, in der unter Mitwirkung des Kaisers entstandene Bauten vorgestellt wurden. Ein großer Teil des Publikum, der die wilhelmischen Prunkbauten ablehnte, reagierte darauf kritisch. Die Kaiserzeit brachte aber auch zahlreiche begabte Architekten hervor, die den Repräsentationsanspruch der Epoche in gelungene Bauwerke umsetzten. Davon zeugen nicht nur Regierungsgebäude und Kirchen, sondern auch aufwändig gestaltete Schulen, Postämter und Bahnhöfe. Industriebauten wiesen bereits den Weg in eine schlichte, funktionsbetonte Architektur, erläuterte Kutschmar. Über die Epoche nach dem Ende der Monarchie wird der Potsdamer Architekt und Hochschullehrer in der Januarveranstaltung der URANIA-Reihe sprechen. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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