zum Hauptinhalt

Kultur: Gefaltete Harmonie

Einweihung des Kunstraums Potsdam mit Hanns Schimansky

Wer die neuen Räume des Kunstraums zum ersten Mal betritt, wird staunen. Hier präsentieren sich auf 500 Quadratmetern großflächige, teils riesige Wandflächen, die ihresgleichen in der Stadt suchen. Entree, Langhaus, darin eine monumentale Betonwendeltreppe, dann die lichte „Kathedrale“ mit der spektakulären Fensterfront. Diese öffnet sich auch vom Balkon des fast quadratischen Kuppelraums im ersten Geschoss. Selbst hier unter der Dachschrägen ist noch sattsam Ausstellungsfläche.

Der Respekt vor der Raumanmutung weicht der Hochachtung vor jedem, der diese Räume mit moderner Kunst auszustatten weiß. Es wird eine Anstrengung sein. „Wir werden viel in Kooperation arbeiten“, erklärt Katja Dietrich vom Waschhaus, das sich der Verantwortung bewusst ist. Jahrelang riefen viele Stimmen, manche auch nicht uneigennützig, nach einer Kunsthalle für die Stadt. Hier ist sie nun. Zumindest ein völlig perfektes Provisorium, das für würdigen Präsentation aller bildenden Künste genügen wird.

Der Auftakt, rund 90 Werke des Berliner Zeichners Hanns Schimansky, ist immer Gradmesser für die Zukunft. Zunächst klingt es mutig, das opulente Weiß des Kunstraums gerade mit der eher für Fragilität und Zartheit stehenden Zeichnung in ein harmonische Verhältnis zurückdrängen zu wollen. Ein Mut, der jedoch belohnt wird. Federstrich, Bleistiftlinie oder Tuschefigur gehen nicht unter, sie gewinnen an den großzügigen Flächen noch Kraft. „Ich habe schon oft in großen Räumen ausgestellt“, sagt ein Künstler, der sich auf die neuen Raumverhältnisse anhand von Modellen genau vorbereitet hat. Unter anderen wurden Arbeiten von Schimansky, Professor an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee und seit 1997 Mitglied der Akademie der Künste, in der Neuen Nationalgalerie, im Sprengel Museum in Hannover und in der Kunsthalle in Karlsruhe gezeigt.

Fast zwei Drittel der Arbeiten, die hier nun unter dem Titel „Landseitige Anbindung“ versammelt sind, wurden noch nie gezeigt. Dazu gehören die zweifarbigen Faltungen im Eingangsbereich. Er hätte der Zeichnung durch diese Technik Dreidimensionalität verliehen, sagte ein Experte über Schimansky. Riesige, bald zwei Meter messende Papierbögen werden zunächst mit Tuschefiguren vorder- und rückseitig bemalt und später in komplizierter Weise so gefaltet, dass Teile beider Flächen sich zum nun wesentlich kleineren Bild vereinen. Die Falzungen der Faltung ergibt einen einfachen, aber sehr wirkungsvollen Rhythmus. Eine Struktur, die den feinen Zeichenstrukturen hilft, im Raum zu stehen. Der gesteuerte Zufall und das Spiel leitet Schimansky bei seiner Falzarbeit. „Auf dem Weg von A nach B versuche ich so, etwas Drittes zu erreichen“, erklärt er auf einem Presserundgang. Die Unendlichkeit der Möglichkeiten wird faltweise eingegrenzt. Und dabei die Stimmung eines Tages eingefangen.

Seit 30 Jahren konzentriert sich Hanns Schimansky hauptsächlich auf den Schwarz-Weiß-Kontrast. Der enthalte eine Spannung, die fast unendlich sei. In Harmonie, Klarheit und Reduktion erscheinen diese Arbeiten wie altchinesische Tuschezeichnungen in moderner Übersetzung. Auch hier ist die Formensprache auf wenige aber universelle, unendlich kombinierbare Codes reduziert. Bei Schimansky ist der tradierte Kirschblütenzweig freilich nur eine Linie mit kleinen Zacken daran. Der wohl bekannte Gebirgszug vor dem „Langen Strom“, dem Jangtsekiang, vielleicht eine schwarze Ausmalung vor einer Schraffur. „Die Sachen sollen einfach bleiben“, heißt das Prinzip, sagt Schimansky und vergleicht seine Arbeit mit dem des Schriftstellers. „Da bin zunächst nur ich, der Bogen Papier und die Feder.“ Es scheint, als ob Hanns Schimansky immer noch selbst von der Potenz seines Erfindungsreichtums überrascht ist.

Kopflastig sind die Zeichnungen gewiss nicht. Was daran liegen mag, das der mit Preisen dekorierte gebürtige Bitterfelder niemals an einer Kunsthochschule studiert hat. Nicht figurativ, aber dennoch manchmal mit einer Story versehen, an deren assoziative Deutungen durch den Besucher sich Schimansky immer erfreut.

Im Kunstraum sind von Handteller kleinen Naturzeichnungen, Insektenähnliches und Pflanzliches bis hin zu Monumentalem alle Formatgrößen zu sehen. Doch immer nur im Querformat. Hanns Schimansky, der an der Ostsee groß geworden ist, weiß warum. „Da ist wohl immer noch die Horizontlinie des Meeres im Kopf.“

Bis zum 2. Juli, mittwochs bis sonntags, Kunstraum im Waschhaus

matthias Hassenpflug

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false