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Kultur: Gute Mitsehgelegenheit

Roter Teppich für Ulrich Matthes: Premierengala von „Mitfahrer“ im Thalia

Allzu oft haben Filmpremieren in Kinos etwas Falsches. Falsche Freude über falsche Größe auf falschem Pomp. Der Weg der in die Kameras grinsenden Filmstars führt dann häufig über einen roten Teppich – der muss sein – in ein anonymes Multiplex zu Dutzendware aus Hollywood.

Auch im Thalia in Babelsberg führte Montag Nacht so ein roter Teppich, durch Spotlicht zusätzlich angestrahlt. Diesmal aber: keine falsche Ekstase, keine lebensgroßen Pappfiguren. Keine weltweite PR-Aktion. Diesmal war alles echt. Die Freude des nahezu voll besetzten großen Saals des Babelsberger Kinos über Nicolai Albrechts Autobahnfilm „Mitfahrer – jede Begegnung ist eine Chance“. Echt war das Filmteam auf der Bühne, echt die Schauspieler, die nahezu komplett zur Feier erschienen waren. Erst recht echt war Ulrich Matthes, herausragender Schauspieler in „Der Untergang“ und „Der Neunte Tag“, in „Mitfahrer“ in der Rolle des einsamen Bademodenvertreters Peter Kindl. Echte Begeisterung über einen echt guten Film.

„Toll! Ganz toll!“ Das dicke Lob des bekannten deutschen TV-Darstellers Helmut Zierl zur Potsdamer Produzentin Michaela von Unger über den so gelungenen Bundesstart des Films ist auch ehrlich. „Mitfahrer“ ist ein Roadmovie, 80 Prozent spielen tatsächlich auf der Autobahn, das meiste davon auch noch in Autos. Matthes beschreibt das Gefühl, gerade im Jahrhundertsommer 2003 so vor der Kamera zu arbeiten als geradezu „klaustrophobisch.“ Drei Wagen brechen nach Berlin auf: Matthes als Handelsreisender pickt sich routiniert seine Reisebegleitung, den Afrikaner Hilal und die schweigsame Carolin, bei der Mitfahrzentrale auf. Katharina macht sich mit dem Computerspiel-Nerd Fabian und dem traurigen Schmuckdesigner Sylvester auf den Weg. Loubelle will ihre Beziehung in der Hauptstadt beenden. Auf dem Rücksitz nörgelt Tochter Rosa.

Mit dem Einbiegen auf die erste Autobahnauffahrt steigert sich das Tempo. Das starke Drehbuch, das von drei Autoren verfasst wurde, gibt jeder Rolle genug Raum, um ihren Lebenskonflikt zu beschreiben. Matthes“ Kindl ist ein Gutmensch, „kein Thema“ seine häufigste Antwort. Was er zu seinen Mitfahrern sagt, ist immer gut gemeint, aber immer daneben. Familie kaputt. Carolins Knie kommt da gerade recht. Matthes“ Spiel gibt der Figur eine verklemmte Lüsternheit, krachende Ignoranz, gemildert durch sympathische Gebrochenheit. Die ineinander einhakenden Episoden funktionieren, weil die hervorragende Kamera von The Chau Ngo (Deutscher Kamerapreis 2005) immer ganz dicht mitfährt. Carolin spricht praktisch nichts, die Kamera sieht aber durch die Frontscheibe ihre sich steigernde Angst und ihr Bedrängnis, wenn Kindl ihr einen Bikini auf den Schoß legt.

Autobahn, das ist ein rasendes Geräusch, das ist die Hitze im Stau, das sind verschwimmende Lichtreflexe. Chaus Kamera hat diese Raserei in hypnotischen, kunstvollen Bildern eingefangen.

Dass die Feier nun gerade im Thalia stattfindet, ist der Produzentin zu verdanken. Michaela von Unger, begeisterte Potsdamerin, gründete eigens für „Mitfahrer“ einen Filmvertrieb. Vom Thalia, ihrem Lieblingskino, und seinen Betreibern bekam sie dafür wichtige Ratschläge. Hier und in fünf weiteren deutschen Kinos läuft „Mitfahrer“ ab morgen.

Matthias Hassenpflug

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