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Kultur: Historische Folklore

Tarantella mit Christina Pluhar und L“arpeggiata

Tarantella mit Christina Pluhar und L“arpeggiata Die Tarantula ist ein Tier, eine Krankheit und ein Tanz, bekannter unter dem Namen Tarantella. Sie steht für Trance, Heilung, Wunder, Erotik. Als archaischer Rest von Schamanentum in Europa wurde sie von der Kirche nie akzeptiert. Nach der Legende kuriert das Tanzen der Tarantella den Biss der Vogelspinne, indem das Gift durch vermehrtes Schwitzen ausgeschieden wird. Doch Fakten und Fiktion, Tatsache und Fantasie sind bei diesem mythenumwobenen Phänomen kaum noch trennbar. Als süditalienischer Tanz hat die Tarantella viele Reisende im 18. und 19. Jahrhundert begeistert. Viele schrieben darüber, etwa Madame de Staël und Ludwig Ganghofer in seiner Novelle „Tarantella“. Seit einigen Jahren schon genießt die Tarantella Kultstatus, Aufführungen und Tanzkurse werden zunehmend angeboten. Nicht geringen Anteil an dieser Wiedergeburt hat die Lautenistin Christina Pluhar und ihr Ensemble L“arpeggiata. Auf mehreren, teilweise preisgekrönten CDs liegen die Ergebnisse ihrer Forschungen zur italienischen Vokal- und Instrumentalmusik des 17. und 18. Jahrhunderts vor. Bei den Musikfestspielen präsentierte L“arpeggiata im Nikolaisaal mit Gesang und Tanz eine sehr zivilisierte und stilisierte Form dieser Tanzmusikmanie. Das aus zwölf Musikern bestehende Ensemble spielt auf historischen Instrumenten wie Chitarrone, Barockgeige und Gitarre, Laute, Dudelsack, Zink und Psalterion, das hier wie eine Art offenes Cembalo aussieht. Während die Sängerin Lucilla Galeazzi traditionelle Tarantella-Weisen mit Grandezza intoniert, wirbeln zwei Tänzerinnen, Anna Dego und Bruna Gondoni, und ein Tänzer, Marco Bendoni, über die Bühne. Mit nackten Füßen stampfen und springen sie herum, in immer wilderen Drehungen – nicht, bis sie nicht mehr können, sondern, bis die Musik aufhört. Ob man eine kultisch oder auch rasend angetriebene Handlung wie es dieser Tanz ursprünglich war, überhaupt auf die Bühne bringen kann, ohne dass er dabei verliert, ist sicher eine Frage. Denn die Form allein ist keine Offenbarung. Zu sehen und zu hören ist historisch-nostalgische Folklore auf hohem musikalischem Niveau. Die Reihe der Musiker wird angeführt von Christina Pluhar an ihrer eindrucksvollen Theorbe, einer Doppelhalsbasslaute, gefolgt von der respektablen Violinistin Veronika Skuplik und dem Zink-Bläser Doron Sherwin. Diesem viel weicher als eine Trompete klingenden Blasinstrument könnte vielleicht eine neue Zukunft beschieden sein. Sänger und Tambourinspieler Massimo Carrano gibt sich alle Mühe beim Entfachen von Feuer und Temperament im nicht ganz gefüllten Saal. Es bleibt Pluhars Verdienst, auf eine fast vergessene Musiktradition aufmerksam gemacht zu haben. Dabei ergeben sich durchaus interessante kulturhistorische, länderübergreifende Querlinien, etwa zwischen Italien, Spanien und Nordafrika oder auch zwischen Volksmusik und Kunstmusik im Barock bis hin zur großen Oper. Der Gesang mit seinen teils erotischen, teils klagenden, naiven, gläubigen Texten erzählt von Gefühlen der Wehmut und der Leidenschaft. Die Sängerin Lucilia Galeazzi, Tänzer und Musiker von L“arpeggiata beschwören mit Verve das Leben und die Kunst einer vergangenen Zeit.Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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